Zerrissen - Thriller
gebracht hatte. Er war braun wie auch die beiden Stühle. Eine Vase mit Blumen stand auf dem Tisch. Alles wirkte wie eine billige Scharade, inszeniert, ekelhaft. Ein roter Teppich lag auf dem Boden, ein Bild hing an der Wand. Ich folgte ihm ständig, hoff te auf einen Fehler, doch er wa r vorsichtig, vertraute mir noch nicht. Wenn er die Tür öffnete und h inausging, dann sah ich nur die Tür , die die einzi ge Hoffnung auf F reiheit für mich war . Mein Sohn musste in der Nähe sein, das spürte ich, doch wie sollte ich ihn überrumpeln?
„Ich bin so froh, dass du nun endlich bei mir bist. Ich habe dich so sehr vermisst! “
Er strich mir sanft über die Hand, lächelte mich dabei an.
„Wir werden bald eine Familie gründen, du und ich. Ich habe die ganzen Jahre darauf gewartet, dass du endlich zu mir kommst. Und nun bist du da.“
„Warum hast du das getan?“
Meine Stimme war kalt, ganz anders als seine. Er sprach liebevoll, zärtlich – krank, verrückt.
„Was meinst du?“
Er starrte mich aus traurigen Augen an.
„Warum hast du mir meinen Niklas genommen? Warum? Ich will es doch nur verstehen.“
„Warum fängst du immer mit diesem verdammten Thema an? Du sollst dein Maul halten.“
Seine Augen veränderten sich, er war auf einen Schlag wütend, ja, er brannte vor Zorn und ehe ich mich versah , schlug er mir mit der Faust ins Gesicht. Ich stürzte über den Stuhl und schlug mit dem Kopf an die Wand. Er packte mich an der Kehle, er war blitzschnell.
„Leg dich nicht mit mir an, sonst ist dein Sohn bald tot“, flüsterte er mir ins Ohr. Dann warf er mich auf die Matratze und verließ den Raum. Verdammt, wieso konnt e ich nie meine Klappe halten?
*
Isabella war wieder auf dem Weg nach Offenburg. Nachdem sie das Taschenmesser gesehen hatte, war ihr klar, dass Cha rlotte Recht hatte. Sie kramte in ihrer Tasche nach ihrem Handy, sie musste noch ein mal mit Dirk sprechen. Endlich fand sie es und wählte die Nummer ihres Freundes.
„Is abella. H allo.“
„Hallo, Dirk. Hast du noch was herausgefunden?“
„ Oh ja, das habe ich. Ich kann es dir aber nicht am Telefon sagen. Wir müssen uns treffen.“
„Dirk, sag schon. Ich muss wissen, woran ich bin.“
„Wo bist du gerade?“
„Auf dem Weg nach Offenburg. Ich habe noch zwei Stunden Fahrt vor mir.“
„Dann treffen wir uns heute Abend. Wo wohnst du?“
„In einer kleinen Pension direkt im Zentrum. Ich schicke dir die Adresse per SMS.“
„Bis später, pass auf dich auf.“
Dann legte er auf. Isabella war unglaublich nervös. Hätte sie sich doch bloß ein Auto gemietet anstatt mit diesem verdammten Zug zu fahren.
*
„Isabella, ich rate dir wirklich , zur Polizei zu gehen. Der Fall ist komplizierter als gedacht.“
„Schieß schon los.“
Sie saßen in Isabellas Zimmer in einer alten Pension. Sie mussten sich auf das Bett setzen, da es keine andere Sitzmöglichkeit gab. Das weckte alte Erinnerungen in Isabella. An eine Zeit, in der sie und Dirk Freunde waren, sogar etwas mehr als Freunde.
„Raoul Richter hei ßt eigentlich Vin cent Adler.“
„Was, er hat seinen Namen geändert?“
„Ja, er hat sich einen neuen Pass besorgt, Führerschein und Zeugnisse. Alles, was man für ein neues Leben benötigt.“
„Und warum? Hat er bereits Vorstrafen.“
„Nein, besser. Seine drei Söhne kamen alle bei einem Autounfall ums Leben. Er war der Fahrer.“
„Das ist ja der Hammer. Erzähl mehr.“
„Ich habe dir alle Zeitungsartikel zu dem Unfall mitgebracht.“
Isabella war erstaunt und überflog die Zeitungsartikel. … Horror-Crash an Heiligabend , …Vater verliert die Kontrolle über den Wagen, …alle drei Kinder waren sofort tot… Isabella war so vertieft in die Unterlagen, dass sie nicht bemerkte, wie Dirk sich ihr näherte und sie beobachtete. Zärtlich strich er ihr die Haare aus dem Gesicht und lächelte sie an.
„Was ist?“
„ Nichts, ich sehe dich eben gern an.“
„Ich bin nicht mehr die von damals, hör auf damit.“
„Ok ay , ok ay . Ist wahrscheinlich besser, wenn ich fahre.“
Dirk stand beleidigt auf und nahm seine Jacke.
„Du kannst die Unterlagen behalten.“
Und schon war er weg. Isabella sagte nichts mehr, es hätte ohnehin nichts geholfen.
Es dauerte Stunden , bis sie sich durch alles hindurchgelesen hatte. Vincent Adler, also Raoul und seine damalige Frau Valerie Adler soll t en angeblich Eheprobleme gehabt haben . Zu Weihnachten s ei die ganze Sache eskaliert. Raoul
Weitere Kostenlose Bücher