Zerrissenes Herz (German Edition)
hinzu.
„Mom hat gesagt, ich darf schwimmen“, informierte ihn Charlie.„Wir haben unsere Badesachen schon an.“
„Ich auch“, erwiderte Julian.
„Dann gehen wir doch hinunter zum See“, schlug Daisy vor.
Sie gingen zu dem grasbewachsenen Uferstück, an das sanft die Wellen schlugen. „Können wir jetzt schwimmen?“, fragte Charlie ungeduldig.
Daisy hatte Julian gewarnt, dass kleine Kinder die Aufmerksamkeitsspanne einer Fruchtfliege hatten. Darum beeilte er sich mit seiner Erklärung.
„Hey, Supercharlie“, setzte er an. „Deine Mom und ich werden heiraten.“ Er hielt inne. Charlie zupfte einen Grashalm ab.
„Heiraten“, wiederholte Julian. „Weißt du, was das bedeutet?“
Charlie schenkte ihm ein kleines Lächeln, das alles bedeuten konnte.
„Das bedeutet, dass wir eine Familie sein werden“, erklärte Daisy.
„Mom, Dad, Charlie“, sagte Charlie.
Julians und Daisys Blicke trafen sich. Der Junge wusste genau, wer zu den Mitgliedern seiner Familie zählte.
„Das wird eine neue Art der Familie“, fuhr Julian fort. „Die besteht aus uns dreien – Charlie, Mom und mir, äh, Daddyjunge.“
„Und Dad“, ergänzte Charlie.
„Dein Dad wird immer dein Dad bleiben“, versicherte Julian ihm. „Das wird sich nicht ändern.“
„Okay.“ Charlie ging zum Wasser. „Können wir jetzt schwimmen gehen?“
Daisy wandte sich an Julian. „Das lief doch ganz gut.“
„Findest du?“ Er war sich nicht so sicher.
„Kommt schon!“, rief Charlie.
„Komm doch selber“, erwiderte Julian und rannte zum Ende des Stegs, von wo aus er sich in den See stürzte und dabei so viel Wasser aufspritzen ließ wie nur möglich. Das Wasser war kalt, aber erfrischend. Er tauchte tief, so tief, dass er mit der Brust den kiesbedeckten Grund des Sees streifte. Als er wieder auftauchte, stand Daisy am Steg und hielt Charlie an der Hand.
Charlie trug eine winzige Schwimmweste. Daisy zog ihr Yankees-T-Shirt aus, um einen Bikini zu enthüllen, bei dessen Anblick Julian sehr froh über die Temperatur des Wassers war.
„Ich springe“, rief Charlie.
„Eins, zwei, los“, sagte Daisy.
Charlie entzog ihr seine Hand. „Ich habe Angst.“
„Ich halte deine Hand, dann können wir gemeinsam springen“, schlug Daisy vor. „Und Julian fängt dich auf.“
Julian trat Wasser und streckte Charlie seine beiden Hände hin. „Ich fang dich, Buddy.“
„Nein“, wiederholte Charlie. „Du springst, Mom.“
„Willst du nicht mit mir zusammen springen?“
„Hab Angst.“
„Es ist okay, Angst zu haben. Niemand wird dich zwingen zu springen.“
„Aber ich will .“
Sie schüttelte den Kopf. „Dann …“
„Du springst“, wiederholte Charlie.
„Okay. Das ist wirklich einfach und macht Spaß.“ Daisy sprang. Julian hörte, wie sie nach Luft schnappte, als sie in das kalte Wasser tauchte. Lachend kam sie wieder nach oben. „Komm rein, Charlie, ich fang dich auf.“
„Nein“, sagte er und hüpfte von einem Fuß auf den anderen. „Julian.“
„Wann immer du so weit bist, Buddy.“ Julian beobachtete den Kampf zwischen Wollen und Angst in Charlies Gesicht.
Charlie wandte sich ab. „Ich will heute nicht springen.“
„Das macht nichts. Vielleicht ein andermal“, sagte Julian.
Daisy schwamm zur Leiter und stieg aus dem Wasser.
Julian konnte sich nicht vorstellen, dass es etwas Aufregenderes gab als eine tropfnasse Daisy Bellamy in einem pinkfarbenen Blümchenbikini und mit nassem, glatt anliegendem Haar. Ihre Zehennägel hatte sie perlmuttfarben lackiert, und sie trug kleine goldene Ohrringe – einen in einem Ohr, zwei in dem anderen.
„Hast du was gesagt?“, fragte sie und griff nach einem Handtuch.
Er stemmte sich auch aus dem Wasser. „Das“, sagte er, „war lediglich ein frustriertes Stöhnen.“
„Ach, wirklich?“
Er legte einen Arm um sie, und gemeinsam kehrten sie auf die Wiese zurück, wobei er die Hand über ihren von einer leichten Gänsehaut überzogenen Rücken bis zum Po gleiten ließ. „Ja, wirklich.“
„Ich will vom Steg springen“, sagte Charlie.
Julian zwang sich, das Humoristische an der Situation zu sehen. „Ich dachte, du wolltest heute nicht. Willst du es jetzt doch einmal probieren?“
„Ja.“
„Willst du mit mir zusammen springen, oder soll ich zuerst?“
„Mit dir.“
„Cool. Dann los.“ Julian hatte nie verstanden, wie man Angst vor körperlichen Gefahren haben konnte. Das steckte einfach nicht in seinen Genen. Die Dinge, vor denen er
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