Zerrissenes Herz (German Edition)
Angst hatte, waren schwer zu fassen und weit weniger rational.
Charlie ging mit ihm zusammen zum äußersten Ende des Stegs. Dort blieb er stehen und krallte die Zehen um den Rand der Planke, die über dem Wasser schwebte. „Bereit, Daddyjunge?“, fragte er.
„Bereit, Charliejunge“, erwiderte Julian. „Wir heben ab. Auf drei.“
Der Kleine beugte die Knie und schwang seine Arme vor und zurück. Dabei verzog er vorsichtshalber schon mal sein Gesicht für den befürchteten Aufprall.
„Eins … zwei … nein!“ Charlie drehte sich um und rannte zu seiner Mutter.
Daisy bedachte Julian mit einem entschuldigenden Blick. „Vielleicht nächstes Mal.“
„Sicher. Vielleicht.“
Charlie starrte den Steg an. Er tippte eine verwitterte Plankemit dem großen Zeh an.
„Mach dir keine Sorgen.“ Ein wenig ungelenk tätschelte Julian ihm den Kopf. „Ich habe meinem Cousin Remy beigebracht, wie man ins Wasser springt, als wir noch Kinder gewesen sind. Remy ist genauso alt wie ich, aber er mochte es nicht, zu springen.“
„Ich mag springen“, protestierte Charlie. Er marschierte trotzig davon, um ein wenig im seichten Wasser zu spielen.
Julian und Daisy schauten einander an. „Nicht gerade die übliche Weise, seine Verlobung zu feiern, was?“, meinte sie.
Er zog sie an sich. „Liebling, wenn ich könnte, würde ich dich in ein Fünfsternehotel entführen und die ganze Nacht lang lieben.“
Ein erregender Schauer lief Daisy über den Rücken. „Und wenn ich könnte, würde ich es zulassen.“
Charlie rief etwas, sprang zwischen das Schilfrohr und schmierte sich von oben bis unten mit Matsch ein. „Guck mal, ein Frosch! Ich hab einen Frosch gefangen!“ Die kleine Kreatur sprang zwischen seinen zusammengelegten Händen hindurch zurück ins Schilf. Charlie lachte und sprang hinterher.
„Bist du sicher, dass du dazu bereit bist?“ Daisy sah Julian fragend an.
„Ich bin mir einer Sache nie sicherer gewesen.“ Er gab ihr einen Kuss, löste sich dann von ihr und leistete Charlie auf seiner Froschjagd Gesellschaft.
8. KAPITEL
D aisys Neuigkeiten überraschten niemanden. Was sie einigermaßen verwunderte. Sie hatte gedacht, die ganze Welt würde annehmen, dass sie und Logan eines Tages zusammenkommen würden. Immerhin hatten sie Charlie. Logan war wegen seines Sohns nach Avalon gezogen und hatte sich hier gegen den Widerstand seiner Familie eine eigene Firma aufgebaut. Sie beide arbeiteten hart daran, gute Eltern zu sein. Daisy war einfach davon ausgegangen, dass die Leute eine gemeinsame Zukunft für sie sahen.
Doch sie hätte die Erwartungen ihrer Freunde und Familie nicht schlechter einschätzen können.
„Wie schön“, rief ihre Mutter fröhlich und umarmte sie fest. „Ich freue mich so für dich.“
Sogar ihr Bruder Max, Highschoolschüler, mitten in der Pubertät und somit kein großer Freund von Umarmungen, umarmte sie. „Das ist toll“, sagte er. Dann fügte er auf typisch männliche Art hinzu: „Ich will dir die Freude ja nicht vermiesen, aber wie soll das funktionieren, mit ihm in der Air Force und so?“
Sie konnte nicht leugnen, dass er damit einen wunden Punkt getroffen hatte. „Ja, wir haben noch einiges zu besprechen und zu planen.“ Nach den Stunden am See waren sie und Julian zu ihr nach Hause gefahren, wo sie bis spät in die Nacht geredet, geträumt, fantasiert, geplant und gehofft hatten. Sie hatte sich so sehr gewünscht, dass er bei ihr geblieben wäre. Aber um Charlies willen verabschiedeten sie sich irgendwann widerwillig voneinander. Julian hatte bei seinem Bruder übernachtet.
„Wir hatten darüber nachgedacht durchzubrennen – Mom, ich sagte, wir hatten darüber nachgedacht “, erklärte sie schnell, bevor ihre Mutter einen Anfall bekommen konnte. Es gab verlockende Gründe, noch vor Julians Entsendung nach Kolumbien zu heiraten. Julian hatte alle Vorzüge aufgezählt: erhöhtes Wohngeld, Zuschüsse für die Trennung von der Familie und eine besondere Hinterbliebenenbeihilfe für den Fall, dass er imDienst getötet wurde.
Als er das erwähnt hatte, hatte sie ihm sofort den Mund verboten. „Wag es ja nicht!“, hatte sie geflüstert und sich an ihn geklammert. „Denk nicht einmal daran.“ Zu ihrer Mutter sagte sie jetzt: „Wir wünschen uns beide eine kleine, traditionelle Hochzeit.“
„Habt ihr schon ein Datum ausgesucht?“, fragte ihre Mutter.
„Den ersten Samstag im Oktober. Er kann dafür eine Woche Heimaturlaub bekommen. Wir wollen im Camp Kioga
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