Zersetzt - Thriller (German Edition)
Doppeltür erreichten. Der Anblick der drei Gestalten, die Bier trinkend und laut diskutierend auf einer Bank vor einer Hauswand saßen, ließ Julia etwas näher zu Felix aufrücken. Er schaltete den Fotoapparat aus und hängte ihn sich um. Julia stellte den Kragen auf und schloss den Reißverschluss an der ihr viel zu großen Jacke. Sie schlotterte vor Kälte. Der Schatten, der sich in dem Moment auf dem Hinterhofboden ausbreitete, als das Licht im Erdgeschoss angeknipst wurde, ließ erahnen, dass dieses Fenster vergittert sein musste.
»S-S-Schröder«, sagte Felix,
»hier m-m-muß es s-s-sein«, und betätigte den Klingelknopf.
Aus früheren Unterhaltungen wusste Julia, dass Kati ohne Partner mit ihren drei Kindern hier wohnte. Katis Mann hatte sich vor zwei Jahren mit einer Jüngeren aus dem Staub gemacht. Bewundernswert, wie manche Frauen es schaffen, Kinder und Beruf alleine unter einen Hut zu bekommen .
Nichts – kein Ton aus der Gegensprechanlage, kein Türöffner. Felix drückte erneut den Knopf.
»Zu wem wollen Sie denn?«, fragte eine der drei Gestalten, ein älterer Mann, der unbemerkt näher gekommen war und dessen geflickte, dunkelbraune Cordhose an ihm herunterhing. Julia wich einen Schritt zurück.
»Zu Frau Schröder, Kati Schröder.« Der Senior sah auf das Klingelschild.
»Ach so, die Mutti, keine Ahnung. Manchmal funktionieren die Türglocken hier im Haus nicht. Ich wohne auch hier und kann Ihnen aufschließen. Probieren Sie es oben an der Wohnungstür noch mal – ganz oben, im fünften Stock.« Er zog einen dicken Schlüsselbund aus der Hosentasche hervor, hustete und schloss nach dem dritten Versuch die Tür auf.
Julias atemraubende Gedanken über die unzähligen Stufen, die bis ins fünfte Stockwerk führten, nahmen eine glückliche Wendung, als sie den alten Fahrstuhl entdeckte, der in der Mitte des baufälligen Treppenhauses seinen Dienst hoffentlich noch nicht verweigert hatte. Wie in einem alten Film – aus Holz mit eingesetzten Glasfenstern und einer Gitterschiebetür, die man noch von Hand betätigen muss.
»In dieses Ding kriegen m-m-mich keine zehn Pferde, ich nehme die Treppe«, bemerkte Felix, als er an Julia vorbei hastete.
»Dann schauen wir mal, wer schneller oben ist«, rief sie hinterher, schloss das Gitter und drückte auf die Fünf. Er bewegte sich nicht – kein Stück, doch beim zweiten Versuch setzte sich das vorsintflutliche Gefährt mit einem Ruck, einem lauten Quietschen und verdächtigen Knarren in Bewegung.
»Ich bin gleich oben, wo bleibst du?«, hörte Julia Felix einige Etagen über sich. Im gleichen Moment ging das Licht aus und der Fahrstuhl blieb zwischen zwei Etagen stecken. Die Adaptation ihrer Augen hatte noch nicht eingesetzt und so konnte sie auch nicht erkennen, wer gerade schnellen Schrittes am Lift vorbei die Treppen nach unten rannte.
»Felix? Willst du mich veräppeln, mach mal das Licht an!« Die schwere Eingangstür fiel ins Schloss. In dem geringen Lichtschein, der durch die Treppenhausfenster drang, konnte sie nun einige Umrisse erfassen. Das Rütteln an der Schiebetür und das Drücken auf alle Knöpfe half nichts, der Aufzug gab weder einen Ton von sich noch machte er irgendwelche Anstalten, sich in Bewegung zu setzen. Einen Notfallknopf gab es nicht.
»Felix. Mach keinen Scheiß, hol mich hier raus.« Nichts – vollkommene Ruhe. Irgendjemand wird mich schon hören ...
»Hilfe, Hilfe, hallo ... Ich bin im Aufzug.« Nichts.
Eine gespenstische Stille, die einem den Atem nahm und mit jeder weiteren Sekunde den Brustkorb zuschnürte. Der Wind, der die Äste und Blätter der Bäume im Hof bewegte, pfiff durch die Fensterritzen im Treppenhaus. Der schummrige Lichteinfall verursachte mystische Schatten an der Wand. Ein heftiger Ruck riss sie aus ihren Gedanken. Der Fahrstuhl rutschte ein Stück nach unten. Julia schwankte und hielt sich, bevor es ihr die Füße unter den Beinen wegzog, an der Schiebetür fest.
»Hilfe, hallo, Felix!« Ihre Hände zitterten und kalter Angstschweiß lief über Julias Rücken. Die Wände in der kleinen Kabine schienen immer näher und näher an sie heranzukommen, sie zu zerquetschen. Die imaginären Fesseln erfassten ihren Körper und schnürten ihr die Luft ab.
Denken, Julia, tief durchatmen…. mein Handy – Das liegt im Auto. Felix' Jacke.
Jacken mit vielen praktischen Taschen können sehr nützlich sein ... Doch in dieser Situation zitterten sich ihre Hände von Vertiefung zu
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