Zersetzt - Thriller (German Edition)
Vertiefung, um das Handy oder ein anderes Utensil zu finden, das ihr in dieser Lage hätte helfen können.
Und wieder rutschte ihr Gefängnis ein großes Stück nach unten. Durch die Stille drang ein Reißen, das sich wiederholte und wie das Zerfetzen eines Stoffes klang. Im gleichen Augenblick wurde ein Stück eines Drahtseiles in Julias Sichtfeld gepeitscht und sie wich blitzschnell zurück. Ein verschmorter Geruch breitete sich in der vergitterten Kabine aus. Wenn dieses Ding jetzt abrutscht und einige Etagen mit mir in die Tiefe stürzt und auf dem Boden zerschellt. Wenn das Seil ... Diesen Gedanken wollte sie nicht zu Ende führen.
»Felix! Hilfe!« In einiger Entfernung war ein Stöhnen zu hören. In der letzten Jackentasche wurde sie fündig, das Smartphone von Felix. Die Akkuleistung zeigte noch zehn Prozent. Zumindest hatte sie eine Lichtquelle gefunden, in deren bläulichem Schein sie die äußere Lage in Augenschein nahm. Der Aufzug kippte zur Seite und rutschte jetzt ein größeres Stück nach unten. Julia konnte sich nicht mehr halten und fiel auf die Knie.
»Felix?« Das Stöhnen wurde lauter und war jetzt deutlich zu vernehmen. Und wieder riss etwas. Mit jedem dieser Geräusche rutschte der Aufzug, der sofort wieder von den Bremsen aufgefangen wurde, tiefer. Julia wählte die Notrufnummer, doch das Mobiltelefon zeigte keinen Empfang und die Akkuleistung war auf fünf Prozent gefallen.
Das Stöhnen wandelte sich zu einem Jammern.
»Felix?«
Kurz darauf kam endlich die Antwort.
»Julia? Wo bist du?« Das Licht im Treppenhaus ging wieder an, und an der Haustür machte sich eine andere Person mit einem rasselnden Schlüsselbund zu schaffen.
»Im Aufzug, ich stecke fest.« Die Schritte auf der Treppe waren unregelmäßig und hörten sich nach einem Humpeln an.
»Beeil dich, Felix!« Die Eingangstür wurde mit einem lauten Quietschen geöffnet.
»Hallo, was ist denn hier los? Ist was passiert?« Julia erkannte die raue Stimme des älteren Mannes, der ihnen aufgeschlossen hatte.
»Hier oben im Fahrstuhl!« Das Humpeln kam näher.
»Da hat jemand das Schild von der Aufzugstür entfernt – Mist, der ist defekt!«, brummelte der Alte vor sich hin. Ach, was du nicht sagst .
»Bitte beeilen Sie sich.« Der Boden des oberen Stockwerks lag direkt in Julias Sichtfeld. Das eine Hosenbein von Felix war bis zum Knie zerrissen und Blut tropfte aus einer Wunde.
»Ich hole Hilfe«, rief der Senior. Die Eingangstür fiel wieder ins Schloss.
»Oh Mann, das Ding rutscht ab. Warte, ich hol dich hier raus.« Felix humpelte eine Etage tiefer und rüttelte am Gitter.
»M-M-Mist, geht nicht, ich suche nach Werkzeug.« Das Hinken entfernte sich und gleich darauf ging das Licht im Treppenhaus wieder aus.
Das darf doch alles nicht wahr sein – Julias Angst wandelte sich nun in Wut und sie rüttelte und zerrte an dem verflixten Gitter, das sich keinen Millimeter bewegen ließ. Auf zwei Quadratmeter gefangen – eingesperrt wie ein Hofhund im Zwinger, der keine Chance hatte zu entkommen.
Nach einigen Minuten wurde es wieder hell und Felix kam mit einer Brechstange, die er sich vom Hausmeister ausgeliehen hatte, zurück. Er legte das Eisenteil zwischen Holzrahmen und Gitter und rammte es mit aller Kraft in den Spalt. Sie rüttelten gemeinsam an der Tür, die ihren Widerstand nach einiger Zeit aufgab. Julia ging in die Hocke und Felix zog sie aus dem Fahrstuhl in seine Arme.
»Danke, Felix. Was ist denn passiert, wo warst du?«, fragte Julia, während sie versuchte, das Blut, das aus der Platzwunde an seiner Stirn tropfte, mit einem Taschentuch zu stillen.
»Das Licht ging aus, dann bin ich gestolpert – oder es hat mich jemand gestoßen, ich weiß es nicht genau. Dann bin ich m-m-mit meinem Knie an eine Kiste geknallt und m-m-m-mit dem Kopf ans Geländer.«
»Wir müssen ins Krankenhaus, die Wunde muss genäht werden«, äußerte Julia, als sie auch die Verletzung an seinem Knie notdürftig mit den letzten Taschentüchern gereinigt hatte.
»Quatsch, wegen so eines Kratzers muss ich doch nicht ins Krankenhaus. Lass uns endlich zu Kati gehen.«
Ein blumiger Geruch stieg ihnen in die Nase, süßlich mild, wie ihn ein künstliches Raumspray erzeugte. Felix drückte die Wohnungstür, die nur angelehnt war, einen Spalt weiter auf und humpelte dann in den hell erleuchteten Flur. Ein großer Wandspiegel, der einen Riss quer über die Metallbeschichtung aufwies, hing schief über einer modernen
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