Zersplittert: Dystopie-Trilogie Band 2 (German Edition)
Erinnerungen sind zurückgekehrt, als ich angegriffen wurde und mich verteidigen musste. Er … hat überlebt und kann sich erinnern.«
»Name«, sagt Nico ausdruckslos.
»Wayne Best.« Leise und zögernd spreche ich die Worte aus, als wünschte ich, sie blieben ungehört. Habe ich damit Waynes Todesurteil gefällt? Aber es sterben doch so viele, die es nicht verdienen. Und was Mitgefühl angeht, steht Wayne in meinen Augen ganz unten auf der Liste.
»Warum sagst du mir das erst jetzt?«, fragt Nico kopfschüttelnd. »Wie kann ich dir da trauen?«
»Ich tue alles, um es dir zu beweisen.«
»Wirklich?« Er seufzt. Auf einmal kommt er mir ganz nah, legt die Hände rechts und links auf meine Stuhllehne und sieht mir tief in die Augen. »Denk nach. Was könntest du für uns tun? Womit könntest du beweisen, dass du zu allem bereit bist? Damit ich dir endlich trauen kann.«
Krampfhaft überlege ich, wie ich ihm meine Loyalität zeigen könnte. Bilder und Gesichter wirbeln mir durch den Kopf und da …
Vor Überraschung reiße ich die Augen auf, als ein Gesicht mit aller Deutlichkeit hervortritt.
»Dir ist was eingefallen. Raus mit der Sprache«, sagt Nico im Befehlston. Eine Erinnerung aus einer anderen Zeit, einem anderen Ort blitzt auf. Ein Ziegel. Finger. Innerlich zucke ich zusammen. Ich muss ihm gehorchen.
Mühsam presse ich die Worte hervor und jedes versetzt mir einen Stich. Damit ziehe ich einen Schlussstrich. Fälle eine Entscheidung. »Ich kann euch Dr. Lysander liefern.«
Als ich aufbreche, ringen Angst und Unsicherheit mit dem Glücksgefühl, endlich Nicos Vertrauen gewonnen zu haben.
Und dafür musste ich ihm nur Dr. Lysander geben.
Ich beiße die Zähne zusammen. Sie hat es nicht anders verdient. Ihretwegen ist alles so gekommen. Slating war ihre teuflische Erfindung, falls man es so nennen kann. Es ist alles Dr. Lysanders Schuld. Auch Bens Schicksal ist ihr Werk, wenn auch indirekt.
Nico gibt Katran einen Wink, woraufhin der sich sogleich erhebt.
Ich erröte. »Ich finde allein nach Hause«, sage ich, doch Katran folgt mir nach draußen. Hinterm Haus steht ein Wagen, ein Mann lehnt rauchend daran. Er wendet sich ab, als wollte er nicht erkannt werden. Kurz erhasche ich einen Blick auf ein durchschnittliches Gesicht, eine durchschnittliche Statur, irgendwo habe ich den Typ schon mal gesehen. Kann das sein?
Wir laufen das kurze Stück durch den Wald zu den Motorrädern. Katran lasse ich links liegen, fahre einfach los, doch je länger wir fahren, desto wütender werde ich. Als wir noch nicht mal die Hälfte des Weges zurückgelegt haben, drossle ich das Tempo und halte an. Ich schmeiße die Maschine fast zu Boden.
»Was ist denn mit dir los?«, fragt er.
»Du hast es Nico gesagt!«
»Was habe ich ihm gesagt?«
»Dass ich bei Ben war.«
Entgeistert sieht er mich an und sagt in gekränktem Ton: »Ich habe versprochen, nichts zu sagen. Und das habe ich auch nicht.«
»Und woher weiß er es dann?«
»Nico weiß es einfach!« Diesmal werden die vertrauten Worte nicht von einem Schulterzucken und einem Grinsen begleitet.
Ungläubig schüttele ich den Kopf. Wie ist das nur möglich? Doch … dann geht mir auf, wo ich den Mann hinterm Haus schon einmal gesehen habe. War das nicht Aidens Kollege, der uns gefahren hat? Und wenn Nico es von ihm hat und nicht von Katran? Aber da ist ja noch die andere Sache.
»Wie konntest du nur hinter meinem Rücken zu Nico gehen und ihm sagen, ich wäre euch ein Klotz am Bein?«, stoße ich unter zusammengepressten Zähnen hervor und balle die Fäuste. »Ich kann besser schießen als du! Mit Messern kann ich genauso gut umgehen und mit …«
»Das stimmt, Rain. An deinen Fertigkeiten habe ich nie gezweifelt. Solange sich ein Ziel nicht bewegt, bist du die Beste.«
»Was soll das heißen?«
»Weißt du es nicht mehr?«
»Was?«
Er verdreht die Augen. »Dann zeige ich es dir.«
Katran zieht ein Messer aus einer Scheide, die verdeckt an seinem Gürtel hängt. Die Klinge blitzt silbern im trüben Spätnachmittagslicht auf. Es ist nicht nur irgendein Messer, es ist das Messer. Das Tauchmesser, mit dem der Lorder ihm das Gesicht aufgeschlitzt hat. Katran schiebt einen Ärmel hoch und legt die Klinge an die Innenseite seines Arms.
»Was machst du denn da? Hör sofort auf!«
Doch zu spät, schon ritzt er sich damit in die Haut. Blut quillt aus der Wunde. Nicht nur einzelne Tropfen, sondern ein richtiger Strom, der ihm über den Arm bis zur Hand rinnt. Ich hasse
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