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Zerstöre mich

Zerstöre mich

Titel: Zerstöre mich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tahereh H. Mafi
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hier sein.«
    Sie liegt auf meinem Bett. Auf die Ellbogen gestützt, die Beine ausgestreckt und an den Knöcheln überschlagen. Und während ein Teil von mir begreift, dass dies ein Traum sein muss, wehrt sich ein anderer Teil nach Kräften, das zu akzeptieren. Ein Teil von mir möchte unbedingt glauben, dass sie hier ist, nur eine Handbreit von mir entfernt, in diesem engen schwarzen Minikleid, das an den Schenkeln hochrutscht. Doch alles sieht anders aus als in Wirklichkeit, sonderbar leuchtend; die Farben sind irritierend. Ihre Lippen sind zu extrem rosafarben, ihre Augen wirken größer und dunkler. Sie trägt Schuhe, die sie niemals anziehen würde. Und was am seltsamsten ist: Sie lächelt mich an.
    »Hi«, flüstert sie.
    Nur ein einziges Wort, doch mein Herz beginnt sofort zu rasen. Ich rücke hastig von ihr ab, stoße mich fast am Kopfbrett, und merke plötzlich, dass meine Schulter nicht mehr verletzt ist. Ich blicke an mir herunter. Beide Arme sind gesund. Ich trage nur ein weißes T-Shirt und eine Unterhose.
    Sie geht auf alle viere, kriecht zu mir herüber. Klettert auf meinen Schoß, umfasst meine Taille mit den Beinen. Mein Atem ist viel zu schnell.
    Ihre Lippen streifen mein Ohr. »Küss mich«, haucht sie.
    »Juliette –«
    »Ich habe so einen weiten Weg hinter mir.« Sie lächelt mich noch immer an. Ein seltenes Lächeln, das mir bislang nicht zuteilwurde. Doch irgendwie ist sie jetzt gerade für mich da. Und sie ist vollkommen, und sie begehrt mich, und ich werde mich nicht dagegen wehren.
    Ich will mich nicht wehren.
    Sie zieht mir das T-Shirt aus, wirft es auf den Boden. Beugt sich vor und küsst meinen Hals. Nur ein Mal, ganz langsam. Mir fallen die Augen zu.
    Es gibt nicht genügend Worte auf dieser Welt, um meine Gefühle zu beschreiben.
    Ihre Hände gleiten über meine Brust, meinen Bauch; ihre Finger streichen am Rand meiner Unterhose entlang. Ihr Kopf sinkt nach vorne, streift meine Haut, und ich muss die Hände zu Fäusten ballen, um nicht nach ihr zu greifen.
    Jeder Nerv in meinem Körper vibriert. In meinem ganzen Leben habe ich mich noch nie so lebendig und begierig gefühlt, und wenn Juliette meine Gedanken hören könnte, würde sie wahrscheinlich zur Tür hinauslaufen und nie mehr wiederkommen.
    Denn ich will sie.
    Jetzt.
    Hier.
    Überall.
    Nichts soll zwischen uns sein.
    Ich will sie nackt, im Licht, ich will sie betrachten. Ich will ihr das Kleid ausziehen und sie studieren. Ich muss sie einfach anstarren; will sie kennenlernen, jedes Detail ihres Körpers: die Linie ihrer Nase, den Schwung ihrer Lippen, die Rundung ihres Kinns. Ich will die weiche Haut an ihrem Hals streicheln und alles andere. Ich will sie auf mir fühlen, will fühlen, wie sie mich umschlingt.
    Ich wüsste nicht, weshalb das nicht wahr und real sein sollte. Kann nur daran denken, dass sie auf meinem Schoß sitzt, meine Brust berührt, mir in die Augen starrt, als könne sie mich wahrhaftig lieben.
    Ich beginne mich zu fragen, ob ich vielleicht tot bin.
    Aber als ich mich aufrichten will, greift sie lächelnd hinter sich, ohne den Blick abzuwenden. »Keine Sorge«, flüstert sie. »Gleich ist es vorbei.«
    Ihre Worte kommen mir so seltsam vertraut vor. »Wie meinst du das?«
    »Nicht mehr lange. Dann gehe ich wieder.«
    »Nein.« Ich blinzle hastig, greife nach ihr. »Nein, geh nicht – wo willst du hin …«
    »Es wird dir gut gehen«, sagt sie. »Das verspreche ich dir.«
    » Nein …«
    Aber jetzt hält sie eine Pistole in der Hand.
    Und richtet sie auf mein Herz.

23
    Nur diese Buchstaben sind mir geblieben.
    26 Freunde, denen ich meine Geschichten erzählen will.
    26 Buchstaben, mehr brauche ich nicht. Ich kann sie zusammennähen und Ozeane und Ökosysteme daraus erschaffen. Ich kann sie zusammenfügen und Planeten und Sonnensysteme daraus formen. Mit Buchstaben kann ich Wolkenkratzer und Metropolen erbauen, mitsamt Menschen, Orten, Dingen und Ideen, die realer für mich sind als diese 4 Wände.
    Nur Buchstaben brauche ich zum Leben. Ohne sie würde ich nicht existieren.
    Denn diese Worte, die ich hier schreibe, sind der einzige Beweis dafür, dass ich noch lebe.
    Heute Morgen ist es extrem kalt.
    Ich hatte meine Truppe heute früh zu einer Runde in den Siedlungen abkommandiert, um zu erkunden, ob uns dort vielleicht Bewohner als verdächtig oder fehl am Platz erscheinen würden. Ich frage mich allmählich, ob Kent und Yamamoto sich vielleicht in der Zivilbevölkerung versteckt halten. Sie müssten

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