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Zerstöre mich

Zerstöre mich

Titel: Zerstöre mich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tahereh H. Mafi
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bin.

16
    Ich stehe im Hauptraum.
    Mir selbst gegenüber.
    Es ist eine simple Simulation. Ich habe nichts an meiner Kleidung und meinen Haaren verändert, nicht einmal am Teppichboden des Zimmers. Habe nichts getan außer einen Doppelgänger von mir selbst zu erschaffen, der eine Pistole in der Hand hält.
    Und mich unverwandt anstarrt.
    Eins.
    Er legt den Kopf schief. »Bist du bereit?« Pause. »Hast du Angst?«
    Mein Herz kommt in Fahrt.
    Der Doppelgänger hebt die Hand. Lächelt ein wenig. »Keine Sorge«, sagt er. »Gleich ist es vorbei.«
    Zwei.
    »Nicht mehr lange. Dann gehe ich«, sagt er und richtet die Pistole auf meine Stirn.
    Meine Hände sind schweißnass. Mein Puls rast.
    »Es wird dir gut gehen«, lügt er. »Das verspreche ich dir.«
    Drei.
    Bumm .

17
    »Willst du wirklich nichts essen?«, fragt mein Vater kauend. »Es schmeckt sehr gut.«
    Ich blicke nach unten, betrachte eingehend die Bügelfalten meiner Hose.
    »Hm?«, macht er. Ich höre das Lächeln in seiner Stimme.
    Ich spüre die Anwesenheit der Soldaten, die an der Wand Posten bezogen haben. Sie halten sich immer in der Nähe meines Vaters auf, und er sorgt dafür, dass sie sich in ständiger Konkurrenz miteinander befinden. Ihre erste Aufgabe bestand darin zu ermitteln, wer in der Gruppe von elf Männern das schwächste Glied der Kette war. Und dann musste der Soldat mit den überzeugendsten Argumenten sich des von ihm ausgewählten Zielobjekts entledigen.
    Solche Spielchen findet mein Vater amüsant.
    »Ich habe keinen Hunger. Wegen der Medikamente«, lüge ich.
    »Ah«, macht er. Ich höre, wie er das Besteck ablegt. »Natürlich. Wie unangenehm.«
    Ich bleibe stumm.
    »Abtreten.«
    Seine Männer verschwinden sofort. Die Tür schließt sich hinter ihnen.
    »Schau mich an«, sagt er.
    Ich blicke auf, ausdruckslos. Ich hasse das Gesicht meines Vaters, kann es nicht ertragen, ihn länger anzusehen. Weil ich mich nicht mit seiner Unmenschlichkeit konfrontieren will. Ihn selbst belasten seine Taten und seine Lebensweise nicht im Geringsten. Im Gegenteil, er genießt das alles. Er liebt den Rausch der Macht und hält sich für unbesiegbar.
    Und in gewisser Weise hat er sogar recht.
    Ich glaube inzwischen, dass die gefährlichsten Menschen der Welt jene sind, die keine Reue kennen. Die sich niemals entschuldigen, also auch niemals Vergebung suchen. Denn letztlich sind es unsere Gefühle, die uns schwächen, nicht unsere Taten.
    Ich wende den Blick ab.
    »Was hast du gefunden?«, fragt er ohne weitere Vorrede.
    Ich muss sofort an das Notizheft denken. Aber ich bewege mich nicht, zucke nicht einmal zusammen. Die meisten Menschen wissen nicht, dass ihre Augen immer die Wahrheit sagen, auch wenn ihre Lippen lügen. Fragt man einen Mann, der in einem Raum etwas versteckt hat, wo es sich befindet, wird er behaupten, er wisse es nicht. Er wird behaupten, man habe den Falschen erwischt. Aber seine Augen werden unwillkürlich zum Versteck blicken. Ich weiß jetzt auch, dass mein Vater mich scharf beobachtet. Dass er darauf wartet, wo ich hinschaue. Was ich sagen werde.
    Ich achte darauf, dass meine Schultern entspannt bleiben. Atme langsam, aber unmerklich ein, um meinen Puls zu beruhigen. Ich antworte nicht. Gebe vor, in Gedanken versunken zu sein.
    »Sohn?«
    Ich schaue auf, scheinbar überrascht. »Ja?«
    »Was hast du gefunden? Als du heute ihr Zimmer durchsucht hast?«
    Ich atme aus. Schüttle den Kopf, lehne mich zurück, blicke wieder unter mich. »Glassplitter vom Fenster. Ihr Bett war ungemacht, der Kleiderschrank stand offen. Sie hat nur ein paar Kosmetika und Kleidung und Wäsche zum Wechseln mitgenommen. Alles andere war unverändert.« Das entspricht der Wahrheit.
    Ich höre ihn seufzen. Er schiebt seinen Teller weg.
    Ich spüre das Notizheft an meinem Oberschenkel.
    »Und du sagst, du hast keine Ahnung, wo sie sein könnte?«
    »Ich weiß nur, dass sie mit Kent und Yamamoto zusammen sein muss«, antworte ich. »Delalieu sagt, sie hätten einen Wagen gestohlen, aber dessen Spur verliert sich ganz plötzlich am Rande eines Brachlands. Seit Tagen sind unsere Truppen in dieser Gegend auf der Suche, aber bislang ohne Erfolg.«
    »Und wo«, fährt er fort, »willst du als Nächstes suchen lassen? Glaubst du, sie haben die Grenze zu einem anderen Sektor überschritten?« Seine Stimme klingt seltsam. Amüsiert.
    Ich blicke auf. Er lächelt.
    Er stellt mir diese Fragen nur, um mich zu testen. Hat seine eigenen Antworten bereits parat und will mich

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