Zerstörte Seelen
«Vielleicht buchst du besser einen Flug.» Sie zog sich die Jacke über. «Es gibt keinen Grund, länger hierzubleiben.»
«So willst du also das Problem zwischen uns lösen? Indem du wegrennst?»
Sie zog den Reißverschluss zu. «Das habe ich mir von dir abgeschaut.»
Coop starrte mit verschränkten Armen auf seine Füße.
«Du solltest nach Hause gehen. Zu Amanda.» Sie zog sämtliche Geldscheine aus ihrem Clip und warf sie vor ihm zu Boden. «Damit kannst du einen Teil des Tickets bezahlen. Lass mich wissen, wie viel noch gefehlt hat, dann schicke ich dir einen Scheck.»
Sein Kopf fuhr hoch. In seinen Augen flackerte Zorn auf.
«Danke noch mal fürs Kommen, Coop.»
Als sie an der Tür stand, sagte er: «Ich habe gewartet, Darby. Auf dich. Du hast kein Recht, so wütend zu sein. Du hast es selbst vermasselt.»
Sie tastete nach dem Türknauf. Draußen stand Keats mit dem Rücken zur Wand. So konnte er den Korridor im Auge behalten.
Darby zog die Tür hinter sich zu und sagte: «Ich muss ins gerichtsmedizinische Institut.»
«Werden Sie dort erwartet?»
«Noch nicht.» Darby griff nach ihrem Handy. Sie hatte einen Anruf verpasst – von Ronald Ross, dem Harvard-Professor. Er hatte eine Nachricht hinterlassen.
Keats sah zur Tür.
«Mr. Cooper kommt nicht mit», sagte Darby. Sie wählte die Nummer der Mailbox. «Er fliegt nach Hause. Nach London.»
64. Kapitel
Auf dem Rücksitz des Geländewagens hörte Darby sich die Nachricht von Ronald Ross an. Der Theologieprofessor aus Harvard wollte mit ihr über das Symbol reden, das sie ihm gefaxt hatte. Er hatte drei Telefonnummern hinterlassen – die seines Büros, die seines Handys und seine Privatnummer.
Darby bat Keats um Papier und Bleistift. Er wendete den Blick kurz von der Straße, nahm dann etwas von der Konsole und reichte es ihr – Papiertaschentücher und eine Flasche Wasser.
«Wofür ist das denn?»
«Ihre Wimperntusche», sagte er. «Sie läuft Ihnen übers Gesicht.»
Kein Wunder, dass die Leute im Four Seasons sie so seltsam angesehen hatten. Verdammt. Sie schraubte die Wasserflasche auf und befeuchtete die Taschentücher. Dass sie dabei etwas Wasser in ihren Schoß verschüttete, war ihr egal. Sie war eher wütend als verlegen. Wütend, weil sie sich eine solche Blöße gegeben hatte. Weil sie sich lächerlich gemacht hatte und weil sie weinte wie … ein Mädchen.
Sie wischte sich die Augen und Wangen ab, sah die schwarzen Schlieren auf den Papiertüchern und bemerkte, dass Keats sie im Rückspiegel beobachtete.
«Alles in Ordnung?», fragte er in seinem weichen, schmeichelnden Südstaatenakzent.
«Es ging mir nie besser.»
«Kann ich Ihnen irgendwie helfen?»
«Nein.»
Leider
, setzte sie im Stillen hinzu. «Aber danke.»
«Werfen Sie einfach alles auf den Boden. Wenn Sie fertig sind, gebe ich Ihnen mein Notizbuch. Es ist aus Leder, der Stift steckt innen, und ich hänge sehr daran. Verlieren Sie es also bloß nicht.»
Ronald Ross nahm sein Privattelefon beim vierten Klingeln ab. Er klang, als hätte er bereits tief und fest geschlafen.
«Ich habe gerade Ihre Nachricht abgehört. Tut mir leid, wenn ich Sie geweckt habe.»
«Ich war auf dem Sofa eingenickt. Sie haben mir einen Gefallen getan.» Ein Grunzen, dann räusperte er sich. Darby hörte den Hall seiner Schritte. «Ich habe mir Notizen zu dem Symbol gemacht. Ich nehme an, es hat etwas mit einem Fall zu tun, den Sie bearbeiten.»
«Richtig. Aber mehr kann ich Ihnen leider nicht sagen.»
«Verstehe. Was wissen Sie über Gnostizismus?»
Darby sah aus dem Seitenfenster und dachte nach. Sie hätte gern gewusst, ob sie beobachtet oder verfolgt wurde.
«Das hat etwas mit der vorchristlichen Zeit zu tun, glaube ich.»
«Okay», sagte Ross, als habe er nichts anderes erwartet. «Ich gebe Ihnen einen kurzen Abriss. Gnostizismus geht auf den griechischen Begriff
gnosis
zurück, was ‹Erkenntnis› bedeutet. Gnostizismus als Religion entstand in der Zeit der frühen jüdischen und christlichen Sekten. Gnostiker gehen, vereinfacht ausgedrückt, davon aus, dass es zwei Gottheiten gibt. Die erste ist ein niedriger, unvollkommener Gott namens Demiurg, der die materielle Welt erschaffen hat. Die zweite, der Höchste Gott der Wahrheit oder auch Gottvater, ist ein transzendenter, ein kosmischer Gott und kümmert sich nicht um menschliche Belange. Demiurg hält sich für absolut, obwohl seine Schöpfung – die Welt, die Menschen – mit deutlichen Makeln behaftet ist. Seine
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