Zerstörte Seelen
einzigen Möbelstück in dem makellos sauberen, fensterlosen Raum. Er drehte den Computerbildschirm so, dass sie ihn sehen konnten.
Ein Autopsieraum. Acht männliche ausgeblutete Körper lagen auf Edelstahlpritschen. Reif bedeckte ihre blasse Haut. Ein Zeichen, dass sie einige Zeit im Kühlraum verbracht hatten. Von Sergey wusste Darby, dass die Männer in den Hinterkopf geschossen worden waren. Sie sah dieselbe Austrittswunde auf jeder Stirn, in jedem Gesicht. In der rechten unteren Bildschirmecke war das Datum des Tages zu lesen. Darunter lief eine Uhr mit der aktuellen Zeit. Casey drückte einen Knopf an einer Freisprecheinrichtung. «Drake, Jack hier. Hörst du mich?»
«Ja. Wir sind so weit. Hein ist hier bei mir. Er bedient die Kamera.»
«Fangt an. Zeigt uns, was ihr habt.»
Jemand – Hein – nahm die Kamera, ging in die Mitte des Raumes und stellte sich neben eine Pritsche, auf der ein Mann lag. Der Tote hatte feines graues Brusthaar und ein ansehnliches Fettpolster um die Hüften. Sein Torso war gewaschen worden. Darby konnte das Wasser in ein Becken tropfen hören.
Sie betrachtete die sternförmige Austrittswunde. Dort, wo einmal das linke Auge des Mannes gewesen war, klaffte nun ein Krater. Auch seine Nase und ein großer Teil der Oberlippe waren durch das Projektil zerfetzt worden.
«Sieht übel aus.» Drakes Stimme kam aus den Lautsprechern. «Aber wir haben es trotzdem gefunden.»
Darby sah zu, wie Drakes behandschuhte Finger die Fleischfetzen zusammenschoben. Dann leuchtete ein Schwarzlicht auf und machte dieselbe Tätowierung sichtbar wie bei Rizzo und Smith.
«Sein Name ist Richard Govornale», sagte Drake. «Sechsundvierzig. Seit fünfzehn Jahren beim Secret Service. Keinerlei Beanstandungen. Der Secret Service hat seine eigenen Ermittler hergeschickt, aber die halten sich uns gegenüber bedeckt.»
«Sergey spricht mit ihrem Ermittlungsleiter, Baxter.»
Drake sagte: «Ich habe die Klimaanlage auseinandergenommen und einen Zyanidbehälter gefunden. Er war mit einer Fernbedienung versehen, die von einem Handy aus gesteuert werden konnte. Der Behälter ist leer. Sie haben so viel Zyanid ins Haus gepumpt, dass die Männer ohnmächtig wurden. Danach wurden sie erschossen. Etwas Derartiges sehe ich zu um allerersten Mal. Was zum Teufel hat das alles zu bedeuten, Jack?»
Casey stellte Darby zwei junge Männer vor, die aussahen, als hätten sie erst seit wenigen Minuten ihren Collegeabschluss in der Tasche. Mit ungebremstem jugendlichem Elan stürzten sie sich ganz offensichtlich auf alles, was ihnen vorgeworfen wurde. Louis und Gerrad arbeiteten für die Filmauswertungsabteilung. Im zweiten der beengten weißen Räume hingen sie nebeneinander über einem L-förmigen Arbeitstisch und verglichen ihre Ergebnisse.
Der hochgewachsene knochige Louis reichte Darby einen Umschlag. «Die Ausdrucke der Bilder, die Sie haben wollten.»
«Ich möchte mir gerne eine bestimmte Stelle des Films ansehen», sagte sie. «Hinter dem OP -Tisch gibt es einen schwarzen Fleck, der …»
«Klar. Sicher. Ich weiß genau, was Sie meinen. Ich zeige es Ihnen.»
Gerrad sagte, er wolle sich einen Kaffee holen. Gut. Für drei Leute war sowieso zu wenig Platz in dem engen Kabuff. Darby setzte sich. Auf dem Computermonitor sah sie ein Standbild von Sarah Caseys Gesicht.
Louis’ Hände flogen über die Tastatur. Rollladenmenüs erschienen auf dem Bildschirm und verschwanden wieder, während Louis die Maus betätigte und ständig neue Tastenkombinationen und Befehle eingab. Das Video rauschte über den Monitor und blieb dann an der Stelle stehen, wo Darby den dunklen Schatten gesehen hatte.
Louis vergrößerte den Fleck. Wieder drückte er ein paar Tasten. Darby nahm an, dass er eine Art Lichtfilter einsetzte. Der schwarze Fleck löste sich auf, wurde zu einem Torbogen aus menschlichen Schädeln, deren leere Augenhöhlen auf Jack Caseys Tochter herabstarrten.
Darby beugte sich vor. «Ich kann nicht erkennen, was hinter dem Torbogen liegt.»
«Augenblick … Bitte.» Louis machte ihr Platz, damit sie einen besseren Blick auf den Monitor hatte.
Eine Wand aus Arm- und Beinknochen, die übereinandergestapelt waren. Wie Äste. Darby konnte die gebogenen Enden von Schienbeinen erkennen, noch mehr Schädel und Aberhunderte von Knochen. Vielleicht auch Tausende.
«Haben Sie irgendeine Ahnung, was das für ein Gebäude sein könnte?», fragte Louis.
«Eine Art Ossarium, nehme ich an.»
«Ein was?»
«Ein Beinhaus,
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