Zerstörte Seelen
in dem die Knochen von Toten aufbewahrt werden. Können Sie mir das Bild ausdrucken?»
«Schon passiert. Es ist in dem Stapel, den ich Ihnen gegeben habe.»
«Was haben Sie sonst noch entdeckt?»
«Einige Schatten, die wir aber noch bearbeiten», sagte er. «Wir müssen jedes Bild einzeln analysieren. Das ist ein langwieriger Prozess. Leider können wir ihn nicht beschleunigen.»
«Was ist mit dem Ton?»
«Haben wir per Kurier in unser Stammlabor geschickt.» Louis klang gleichzeitig enttäuscht und bedauernd. «Die Ausrüstung, die die Audioleute benötigen, ist zu umfangreich. Sie passt nicht hier rein. Außerdem können sie nur mit dem Original arbeiten. Eine digitale Kopie nützt ihnen nichts. Machen Sie das schon lange?»
Darby hob überrascht den Kopf. «Was denn?»
«In Fällen wie diesem ermitteln.»
«Ja.»
Louis stand mit den Händen auf dem Rücken da und starrte so trübselig und ernst auf den Computerbildschirm, als hätte er sich in einen Sarg verwandelt.
Darby machte sich auf die Suche nach Casey und Sergey. Zwanzig Minuten später fand sie beide Männer auf dem oberen Deck. Sergey saß hinter dem ehemaligen Präsidentenschreibtisch, rieb sich mit einer Hand die Stirn und drückte mit der anderen ein Telefon ans Ohr.
Casey saß in einem Sessel und starrte durch das Fenster auf die Wolken, die über den schwarzen Himmel rollten. Sie musterte ihn, wollte sehen, wie nah er am Zusammenbruch war. Doch was immer er empfand, er verbarg es sehr gut.
Sie gab ihm den Stapel Ausdrucke.
«Was ist das?»
«Das sind Bilder des Ortes, an dem Ihre Frau und Ihre Tochter festgehalten werden», sagte sie leise. «Ich glaube, bevor wir den Wald durchkämmen, sollten wir Darren Waters diese Ausdrucke und das Video zeigen. Vielleicht kann er uns sagen, wo das Versteck ist.»
«Er kann nicht sprechen. Keine Zunge. Schon vergessen?»
«Nein. Aber ich dachte, nach all der Zeit hätte er Lesen und Schreiben gelernt.»
«Sein Gehirn ist durch die Lobotomie zu stark geschädigt. Er verständigt sich mit einer Zeichensprache und kann ein paar einfache Worte schreiben. Mehr nicht.»
Caseys Stimme klang monoton. Wie tot. Darby wurde plötzlich bewusst, dass das nicht allein an seiner Fähigkeit liegen konnte, sich von dem Geschehen zu distanzieren. Seine Stimme hatte jeden Klang verloren, weil ihm nichts geblieben war. Wenn dieser Mann seine Familie nicht fand, würde er sich eine Pistole in den Mund stecken.
«Wo ist er?», fragte sie.
«Hier. Im Flugzeug. Am einzig sicheren Ort, der uns einfiel.»
«Ich würde gern mit ihm sprechen.»
Casey starrte sie einen Augenblick lang nachdenklich an.
«Das wird nicht viel bringen.»
«Haben Sie einen besseren Vorschlag?»
Casey gab ihr die Bilder zurück. «Er ist hinten.»
«Irgendetwas, was ich beachten sollte?»
«Ja. Lassen Sie das Licht aus.»
73. Kapitel
Die beiden Sanitäter, die vorher auf den Sitzen geschlafen hatten, waren nun vor der Tür mit dem dunklen Sichtfenster postiert. Sie spielten Karten – allem Anschein nach Poker – und scherten sich nicht um die Klopfgeräusche, die aus dem angrenzenden Raum drangen.
«Sollen wir uns noch mal ausziehen?» Der Pummelige mit dem Kinnbart und den Männerbrüsten hätte ohne weiteres einen B-Cup- BH gefüllt. Auf dem Namensschild an seiner Brust stand ROY .
«Ich möchte mich mit Darren Waters unterhalten», sagte Darby.
«Er kann nicht sprechen.»
«Ich weiß. Aber man hat mir gesagt, er könne schreiben. Wenigstens ein paar Worte.»
«Was haben Sie da in der Hand?»
«Bilder.» Sie hatte nur diejenigen mitgebracht, die den Torbogen aus Schädeln und die Knochenwand zeigten.
Wieder ein dumpfes Geräusch. Roys Partner, ein Schwarzer mit dicker Brille und einem kurzgeschnittenen grauen Afro, nahm einen Herzkönig vom Stapel.
«Was macht er dadrin?», fragte Darby.
«Ist auf Entdeckungsreise», sagte Roy. «Er ist noch nie geflogen und ziemlich verunsichert.»
Er schob die Karten zusammen, verstaute sie in seiner Brusttasche. «Ich behalte sie», sagte er zu seinem Partner. «Und wenn wir hier fertig sind, setzen wir meine Glückssträhne fort.»
Darby blinzelte überrascht, als der Pummelige zu einer Nachtsichtbrille griff.
«Darren mag kein Licht», sagte Roy. «Rastet völlig aus, wenn man reingeht und es einfach anknipst. Vielleicht wird er sich Ihre Bilder nicht ansehen wollen. Zwingen kann ich ihn nicht. Ich brauche die Nachtsichtbrille, weil ich sonst blind bin wie ein
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