Zerstörte Seelen
und wegzulaufen.
Casey schien nicht zu wissen, wohin mit seinen Händen. Die Gurte der Rettungsbahre musste Darby für ihn festzurren. Reggie saß auf dem Boden, stieß schmerzerfüllte Zischlaute aus und drückte die Hände auf die blutenden Fleischwunden. Clark half, das Seil an Reggies Gurt zu befestigen, dann klinkte er sich selbst ein.
Darby tastete nach ihrem Bolzenschneider.
«Ich komme mit», schrie Casey. Erneut verlor er beinahe die Fassung. «Meine Tochter könnte hier sein. Ich will …»
Die Explosion kam von einer Stelle östlich ihres Standortes. Ein dumpfes Donnern tief unter der Erde. Darby hörte, wie Bäume zerbarsten. Steine, Erdreich und Holzsplitter erhoben sich als Wolke in den Nachthimmel.
Der Hubschrauber gewann an Höhe. Reggie und Clark hingen unter seinem Bauch und arbeiteten sich mühsam an den schwingenden Seilen empor. Casey warf einen Blick zurück auf die Bahre mit seiner Frau, sah sie durch die Luft schweben und schien sie packen zu wollen, als könne er sie so beschützen. Darby griff nach seinem Arm. Sie stieß ihn in nördlicher Richtung vor sich her und schrie, er solle um sein Leben laufen.
Eine zweite Explosion, diesmal näher. Als hätte Gott seine mächtige Faust vom Himmel aus in die Erde gerammt. Erde, Steine und zersplittertes Holz stoben auf. Der Suchscheinwerfer des Hubschraubers huschte durch den Wald direkt vor Darby. Sie sprintete, versuchte, die Geländebeschaffenheit vor ihr zu sehen und sie sich einzuprägen. Äste schlugen ihr ins Gesicht. Ihre Hände öffneten die Verschlüsse der taktischen Weste, sodass sie das zusätzliche Gewicht abwerfen konnte. Eine weitere Explosion, deren Wucht die Erde beben ließ. Darby wurde seitlich gegen einen Baum geworfen. Sie fand ihr Gleichgewicht wieder und rannte durch den Regen aus Splittern, der im Wald niederging. BOOM , die nächste Explosion. Zu nahe. Sie musste von der Lichtung weg. Die Druckwelle erwischte Darby voll und riss sie in eine wild kreiselnde Dunkelheit.
78. Kapitel
Als Darby die Augen öffnete, schaute sie in einen Tunnel aus hellem Licht, wie Menschen mit einer Nahtoderfahrung es beschrieben. Allerdings sah sie nicht Gott, sondern nur eine große Hand, die ihr mit einer Stiftlampe ins rechte Auge leuchtete.
Das Licht wurde ausgeschaltet, die Hand verschwand. Nun kreisten blaue, weiße und rote Lichtstreifen über eine zerkratzte weiße Metalldecke. Draußen dröhnte irgendwo ein Helikopter. Als der Lärm abschwoll, traten Piepsgeräusche an seine Stelle. Von Süden her näherten sich Stimmen.
Darby stellte fest, dass sie den Kopf bewegen konnte, sah Infusionsschläuche und Jack Casey, der rechts neben ihr lag. Er war bewusstlos; eine Sauerstoffmaske bedeckte sein angeschwollenes, blutiges Gesicht. Die Nase war gebrochen, das linke Ohr zerfleischt. Über seinen Torso spannte sich ein Stahlrahmen. Es war ein Styker-Rahmen, mit dem man Unfallopfer ruhigstellte, bei denen man Rückgratverletzungen vermutete.
Darby wackelte mit den Zehen, spürte, dass sie ihr genauso wie ihre Arme und Beine gehorchten. Sie hob den Kopf. Der Schmerz, der sie dabei durchzuckte, fühlte sich an, als triebe man ihr Nägel durch den Schädel. Sie stellte fest, dass sie auf einer schmalen Pritsche lag. Die Stiefel hatte man ihr ausgezogen, der Rest ihrer Kleidung war noch da, zerrissen und blutig. Ihre Handgelenke waren festgeschnallt, zwei Gurte führten über ihre Brust. Mit einem weiteren waren ihre Oberschenkel festgezurrt. Man hatte sie genau wie Casey für den Fall einer Rückgratverletzung vorsichtshalber fixiert.
Der Schmerz wütete in ihrem Kopf wie ein Presslufthammer. Das Letzte, was sie sah, bevor sie wieder auf das Kissen sank, war der hintere Teil des Rettungswagens. Draußen vor der offenen Tür standen Streifenwagen, Löschzüge und andere Einsatzfahrzeuge auf einer struppigen, windgepeitschten Grasfläche. Darüber füllte sich ein blasser, milchfarbener Himmel mit Rauch.
Jemand sprang auf die hintere Stoßstange, dann hörte sie schwere Schritte.
Sergey beugte sich über sie. Der Mann sah völlig erschlagen aus, hatte aber keinen einzigen Kratzer im Gesicht. Gut. Der Hubschrauber war noch rechtzeitig weggekommen.
Sprechen erwies sich als unendlich anstrengend.
«Taylor», flüsterte Darby heiser.
«Auf dem Weg ins Krankenhaus. Dahin bringen wir Sie auch gleich.» Sergey berührte ihre Hand. Drückte sie. «Ihnen fehlt nicht viel. Wahrscheinlich haben Sie nur eine
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