Zerstörte Seelen
Ständer des Motorrads herunter, nahm den Helm ab und atmete die kühle Luft ein, in der noch immer der Geruch von verkohltem Holz hing.
Ein großer Stahlcontainer, wie sie oft auf Baustellen benutzt wurden, war direkt hinter der Absperrung aufgestellt worden und blockierte die Straße. Ein Stück weiter sah Darby einen zweiten Container. Die Straße wirkte kahl, wie leergeräumt. In der Zeit, die sie in Quarantäne verbracht hatte, waren die Trümmer beseitigt worden, und was immer vom Haus der Rizzos übrig gewesen war, hatten Bulldozer platt gewalzt. Nichts war geblieben außer einem schwarzen Loch in der Erde, ein paar Müllcontainern und einer Ansammlung verkohlter Tannen. Ordentlich aufgeschichtet warteten die Stämme auf ihren Abtransport.
Der gesamte Umkreis der Explosionsstelle war mit Polizeibändern abgeriegelt. Aber warum stand kein Streifenwagen da? In Boston war es üblich, Explosionsstellen zu bewachen, damit Fotografen, Reporter oder irgendwelche Dumpfbacken aus der Umgebung nicht über herumliegende Trümmerteile stolperten, sich den Kopf aufschlugen und dann die Stadt wegen Fahrlässigkeit auf mehrere Millionen Dollar Schmerzensgeld verklagten. In Boston war das schon zu oft passiert, und es hatte jedes Mal einen außergerichtlichen Vergleich gegeben, der letztlich zulasten der Steuerzahler ging. Aber offenbar hatte die Polizei hier eine andere Politik. Darby stellte den Motor ab. Das Licht erlosch, und sie wurde von pechschwarzer Dunkelheit umfangen. Eine sternlose Nacht ohne Mond. Ein schwacher, aber schneidend kalter Wind ließ die Äste knarren und schüttelte die Zweige. Darby nahm die Gegenstände, die sie benötigte, aus der Gepäckbox. Alle ihre Taschen waren vollgestopft, deshalb musste sie die Nachtsichtbrille und den taktischen Gürtel in der Hand tragen. Sie duckte sich unter dem Absperrband hindurch. Der BMW war vermutlich kaum fünf Minuten hinter ihr. Sie musste schnell einen strategisch günstigen Platz finden.
Ihre Augen hatten sich an die Dunkelheit gewöhnt, und als sie den Rand des Explosionskraters erreichte und einen Blick hineinwarf, sah sie teilweise eingestürzte Kellerwände, die halb unter Trümmern und Erde begraben waren. Sie angelte den Peilsender aus ihrer Tasche und warf ihn in die breite Grube.
Dann schaute sie sich nach einer geeigneten Deckung um. In einiger Entfernung standen mehrere Müllcontainer.
Einer befand sich am Ende der Einfahrt, etwa fünfzehn bis zwanzig Meter vom Krater entfernt, und bot einen guten Blick auf die Explosionsstelle und den Wald. Sie joggte hinüber, stützte die Hände auf den Rand und sprang auf die schmale Kante. Das Ding war beinahe voll. Jede Menge verkohltes und zersplittertes Holz, verbrannte Möbel und Kleider. Perfekt.
Sie schlang sich den taktischen Gürtel um die Schulter. Die Riemen der Nachtsichtbrille waren an eine schwarze Wollmütze genäht. Darby setzte die Mütze auf, zog die Brille aber noch nicht über die Augen. Dann kletterte sie in den Container, um den Inhalt zu sichten. Nach einigem Wühlen fand sie im Schutt neben ein paar dunklen Kleidungsstücken auch angekokeltes Bettzeug und ein Federbett.
Perfekt.
Darby arbeitete schnell und systematisch. Sie schichtete einige zumeist hölzerne Trümmerteile so um, dass sie Platz hatte, sich hinzulegen. Sie deponierte den taktischen Gürtel in Griffnähe, rollte sich seitwärts in die schmale Kuhle und bedeckte sich mit dem Bettzeug. Dann zog sie zersplitterte Bretter und anderen Abfall über sich.
In ihrem Versteck schraubte sie einen Schalldämpfer auf die MK und bedeckte ihren Kopf mit dem angekohlten Federbett.
Darby zog sich die Nachtsichtbrille über die Augen und spähte hinaus. Nun sah sie die Umgebung in einem weichen grünen Licht. Sie konnte sie Straße und jeden Quadratzentimeter des umgebenden Waldes überblicken. Sie wartete, die Pistole in der Hand.
Sie spürte die kalte Luft und hörte das gelegentliche Rascheln von Zweigen. Einsam, abgelegen und dunkel – gab es einen besseren Ort für einen Angriff? Darby war die einzige Überlebende der Explosionsnacht, und sie mussten davon ausgehen, dass sie zu viel gesehen und gehört hatte. Vermutlich waren sie ihr deshalb jetzt auf den Fersen.
Darby hätte gern gewusst, mit wie vielen Gegnern sie rechnen musste. Der BMW -Fahrer hatte sicher Helfer mitgebracht. Sie brauchte nur einen von ihnen, und zwar lebend. Und den würde sie schon dazu bringen, ihr etwas über Mark Rizzo zu sagen.
Aber zur Not würde
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