Zerstörte Seelen
MK23 eignete sich nicht als verborgen getragene Waffe, schon gar nicht unter einer engsitzenden Jacke. Darby schloss den Reißverschluss und konnte sehen und fühlen, wie die Pistole gegen das Leder drückte. Im Augenblick konnte sie damit leben. Sie hätte eine kleinere Waffe benutzen können, doch die hätte nicht die Durchschlagskraft der MK23 gehabt. Ein Schuss genügte, um einen Gegner auszuschalten. Das war wichtig für den Fall, dass einer oder mehrere ihrer neuen Freunde beschlossen, aus der Deckung zu kommen und sich an sie heranzumachen.
Darby zog den Seesack aus ihrem Spind. Sie konnte ihn nicht mitnehmen, und in die kleine Gepäckbox des Motorrads passten nur zwei oder drei Ausrüstungsteile.
Deshalb breitete sie den gesamten Inhalt des Seesacks auf der Holzbank aus. Die Hände über der Brust gekreuzt, betrachtete sie jedes einzelne Stück und dachte dabei über ihre Strategie nach.
Die Person oder die Personen im BMW operierten sicher nicht allein. Das wäre taktisch nicht klug. Vielleicht würden diese Leute sie nur eine Zeit lang beschatten. Möglich war aber auch, dass sie versuchten, sie zu entführen oder zu töten.
Darby stand in der kühlen, muffigen Dunkelheit des Umkleideraums und dachte nach. Sie hatte die ganze Nacht, sie konnte stundenlang hier stehen. Und sie wollte ihre Verfolger warten lassen. Sie sollten herumsitzen und darüber nachgrübeln, was zum Teufel sie so lange tat. Diese Frage würden sie sich wieder und wieder stellen und dabei immer angespannter werden. Nervös. Vielleicht entschlossen sie sich zu einem schnellen Zugriff und begingen dabei Fehler.
Bevor Darby Moon Island wieder verließ, loggte sie sich mit dem Computer am Empfang ins Internet ein und ließ sich die schnellste Route zum Haus der Rizzos errechnen. Zur Explosionsstelle.
30. Kapitel
Als Darby den vierspurigen Highway erreicht hatte, beschleunigte sie auf über achtzig Meilen. Sie wechselte zügig die Fahrspuren und hielt dabei in den Rückspiegeln Ausschau nach dem BMW, aber auch nach anderen Fahrzeugen, die ihr vielleicht zu nahe kamen. Wenn diese Leute sie ausschalten wollten, hatten sie jetzt die beste Gelegenheit dazu. Auf der dunklen Schnellstraße, wo im Augenblick kaum noch Verkehr herrschte, war es kaum ein Problem, sie von ihrem Motorrad zu befördern. Ein kräftiger Stoß, und sie würde die Kontrolle verlieren, stürzen und kreuz und quer über den Asphalt schlittern. Wenn sie schließlich irgendwo liegen blieb, dann als armseliger Haufen gebrochener Knochen, der sich nicht bewegen konnte und mit viel Glück ohnmächtig war.
Vierzig Minuten später erreichte Darby die Ausfahrt Portsmouth. Ihre neuen Freunde hatten offenbar beschlossen, auf Distanz zu bleiben. Zumindest für den Augenblick. Vielleicht wollten sie sehen, was sie in New Hampshire zu schaffen hatte. Darby hoffte, dass sie den Abstand nicht verringerten. Sonst würde ihr Plan kaum aufgehen.
Im Zentrum von Portsmouth war noch eine Menge Betrieb. In dicke Mäntel gehüllte Passanten schlenderten unter den grünen Überdachungen der Ladeneingänge entlang. Sie drängten in die Bars oder studierten die Speisekarten der Restaurants in den Glaskästen und an den Türen. Zu viele Zeugen für Darbys Freunde in dem BMW . Hier würden sie schön auf Abstand bleiben. Nach drei weiteren Meilen kam sie in eine ruhigere Gegend, und nach zehn Meilen erreichte sie die Stelle, an der der gepanzerte Personentransporter sie vor dem Besuch in der Einsatzzentrale abgesetzt hatte. Die Straßenzüge waren anfangs noch schwach beleuchtet gewesen, aber hier war es stockfinster. Noch etwa eine Meile, und Darby sah den Platz, an dem die mobile Einsatzzentrale geparkt gewesen war. Natürlich war sie längst nicht mehr da, doch im Scheinwerferlicht ihres Motorrads entdeckte Darby die tiefen Reifenabdrücke des Anhängers im weichen Boden. Sie fuhr weiter die Straße entlang, nahm denselben Weg wie der Transporter ein paar Tage zuvor.
Bald sah sie die Polizeiabsperrbänder, die über die Straße gespannt waren. Streifen an Streifen bildeten sie eine kümmerliche, vom Wind gebeutelte Barriere. Darby warf einen Blick nach rechts auf das Haus, wo Trent den Scharfschützen mit seinem Spotter positioniert hatte. Die Explosion hatte das Gebäude zwar nicht vom Erdboden getilgt, aber doch den größten Teil der Vorderseite weggerissen. In einigen der verwüsteten Räume lagen zerborstene Möbelstücke.
An der Polizeiabsperrung klappte Darby mit einem Tritt den
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