Zerstörte Seelen
lautet dein Name?»
Mark Rizzo schloss die tränenden Augen. Sie würden ihn töten, und es war gleichgültig, ob er seinen wahren Namen sagte oder nicht, denn …
Ein elektrischer Schlag zuckte durch seinen Kopf und seine Glieder. Der weiße Feuerball, der vor seinen Augen explodierte, nahm ihm die Sicht. Sein Körper bäumte sich auf, zerrte an den Riemen.
Dann fiel er zurück auf die Tischplatte. Anstatt des Schmerzes lief nun ein Kribbeln wie nach einer Betäubung durch seine Glieder.
«Elektroschocktherapie», sagte die Stimme. «Das waren fünfzehn Sekunden. Beim nächsten Mal sind es dreißig.»
«Warum tut ihr das?»
«Wie lautet dein Name?»
Er gab keine Antwort, und der nächste Stromschlag kam. Als er vorbei war, konnte er sich nicht bewegen. Sein Herz setzte aus, stotterte, fühlte sich an wie leckgeschlagen.
«Thomas»
, schrie er.
«Mein Name ist Thomas!»
«Und weiter?»
«Thomas Howland.»
«Wo bist du geboren?»
«In Tulsa, Oklahoma. Meine Mutter hieß Janice, sie starb an Brustkrebs. Danach lebte ich bei meinem Vater. Sein Name war Duncan, aber alle nannten ihn Chris. Er war Anstreicher.»
«Du hast mir gesagt, du hast gebetet, dass er stirbt.»
«Das habe ich einem Priester anvertraut.»
«Und Gott. Gott war dabei, als du die Beichte abgelegt hast, Thomas. Ich habe deine Gebete erhört und deinen Vater getötet. Ich habe dafür gesorgt, dass die Leiter umkippte. Ich habe ihn sterben lassen. Als Strafe dafür, was er dir angetan hat. Auch als du bei der Pflegefamilie untergebracht warst und misshandelt wurdest, erhörte ich deine Gebete und sandte einen Engel, der dich zu einer neuen Familie brachte, zu einer Mutter und einem Vater, die gut zu dir waren. Und wie hast du mir meine Fürsorge gedankt? Du hast meine Familie erschossen. Du hast meine Engel im Schlaf getötet und bist geflohen wie ein Feigling.»
Gedanken wirbelten durch Rizzos Kopf. Er sah die Bilder aus der Zeit, in der er so oft mit seinem Stiefvater, einem Mann namens Earnest, im Truck gesessen hatte. Die langen Fahrten in andere Staaten, die Stunden des Wartens im Truck, bis Ernie nickte. Dann ging er hinaus, auf den Jungen oder das Mädchen zu und lockte sie mit den immer gleichen Worten in das Fahrzeug. Er musste seine ganze Selbstbeherrschung aufbieten, um nicht loszuheulen, weil er wusste, dass der Junge oder das Mädchen neben ihm bald verschwinden, sich in Luft auflösen würde. Dann war es Zeit, erneut in einen anderen Staat zu ziehen, weiter zum nächsten Jungen, zum nächsten Mädchen – andere Staaten, weitere Opfer, immer mehr Opfer.
«Ich bin kein Mörder», sagte er.
«Du warst ein Befreier», sagte der Archon. «Mein Engel. Ich gab dir mein Zeichen.»
Er spürte, wie sie sich regte, die jahrzehntealte Schuld, die er auf sich geladen hatte. Er hatte niemandem etwas davon erzählt, doch die Schuld hatte sich in ein Magengeschwür verwandelt, in hohen Blutdruck, Herzrhythmusstörungen, und schließlich zu seinem ersten Herzinfarkt geführt. Der Alkohol hatte die Geister nicht vertrieben, nur ihre Stimmen in Flüstern verwandelt.
«Beim ersten Mal dauerte es sehr, sehr lange, bis ich dich fand», sagte die Stimme leise. «Gefangen in diesem Körper, musste ich mich auf menschliche Methoden beschränken. Und als ich dich schließlich entdeckt hatte, gab ich dir in meiner unendlichen Güte die Möglichkeit, deine Seele zu retten. Ich war bereit, deinen Sohn freizulassen, und was hast du getan?»
Ich habe meine eigene Haut gerettet
, dachte Mark. Das stimmte. Doch selbst wenn er getan hätte, was von ihm verlangt worden war – wenn er bereit gewesen wäre, mit ihnen zu gehen, wieder in dieser dunklen, unterirdischen Hölle zu leben –, hätten sie Charlie nicht freigelassen. Charlie hatte zu viel gesehen.
Sie hätten ihn hierbehalten und ihn gefoltert, um mich zu bestrafen. Wenn ich zurückgekommen wäre, hätte das nichts geändert. Nichts.
Aber wenigstens wärst du bei ihm gewesen
, sagte eine andere Stimme.
Charlie wäre nicht mit diesen Ungeheuern allein gewesen. Du hast deinen Sohn im Stich gelassen.
«Ihr hättet ihn nicht gehen lassen», sagte er.
Die Stimme näherte sich seinem Ohr. «Du, ein Feigling und ein Monstrum, nennst mich einen
Lügner
?»
Marks Auge flog auf, er sah Schatten an der Wand, Gestalten, die sich zusammenscharten.
«Du hast ihn geopfert», sagte die Stimme. «Dein Kind. Deinen Sohn. Du hast ihn für deine Sünden leiden lassen.»
«Ich habe gesehen, was ihr hier
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