Zerstörte Seelen
weißen Schnörkeln sehen. Sie führte in ein Badezimmer. An einer Metallstange hing ein blauer Duschvorhang.
Darby bog um den unteren Teil des Geländers. Auf der Treppe lag derselbe weinrote Läufer wie im Haus der Rizzos in Dover. Sie wartete darauf, dass die Geräusche sich wiederholten, das leise Poltern, als stieße etwas Hartes gegen eine Wand oder gegen den Fußboden. Wie ein Körper, der sich in einem Versteck bewegte.
Aber dieser andere Laut, das näselnde Fiepen … Sie versuchte zu erraten, woher dieser fremdartige Klang stammen könnte, doch ihr wollte nichts einfallen.
An die Raumaufteilung im ersten Stock erinnerte sie sich noch. Rechts der Treppe lag das Zimmer, das Mark Rizzo als Arbeitszimmer benutzt hatte. Das Elternschlafzimmer befand sich gegenüber. Am Ende des Flurs gab es zwei weitere Zimmer. Die Zwillinge hatten im linken, dem größeren, gewohnt.
Darby nahm die erste Treppenstufe, sah ihren Schatten an der Wand und dachte an die uneinsehbaren Winkel und Ecken, die dort oben auf sie warteten. Auf der nächsten Stufe klangen ihr plötzlich Coops Abschiedsworte im Ohr. Ihre Glückssträhne würde irgendwann enden, hatte er gesagt. Das wohlige Gefühl, mit dem seine Gegenwart sie erfüllt hatte, verebbte, wurde von der Adrenalinflut weggespült, die durch ihr wild pochendes Herz rauschte. Ihre Gedanken jagten, versuchten das
verdammte
Geräusch zuzuordnen. Woher kam es? Was zur Hölle klang so?
Darby nahm die Eckstufe. Jetzt konnte sie auch den Rest der Treppe überblicken. Niemand da, nur beigefarbene Wände und zwei offene Türen. Lautlos stieg sie die Stufen hinauf, horchte und drehte sich dann blitzschnell in den rechten Türrahmen, den Eingang zu Mark Rizzos früherem Büro. Die damals blau gestreifte Tapete war nun durch einen strahlend blauen Anstrich ersetzt. Ein Kinderzimmer. In der Ecke stand ein halb zusammengebautes Kinderbettchen; die Bauanleitung und weitere Teile lagen daneben auf dem dunklen Teppich.
Der Monitor an Darbys Arm flackerte nicht ein einziges Mal auf.
Das Bett im Elternschlafzimmer war ordentlich gemacht; auf einer Kommode wartete zusammengefaltete Wäsche darauf, weggeräumt zu werden. Das angrenzende Badezimmer mit dem großen Whirlpool war leer und so sauber und aufgeräumt wie alles, was Darby bislang vom Haus gesehen hatte. Auch hier oben deutete nichts auf einen Kampf oder eine Auseinandersetzung hin. Doch auch hier war es drückend warm. Der Thermostat vor dem Badezimmer zeigte 35 Grad.
BWEEEEEK .
Kratzlaute folgten. Beide Geräusche kamen vom Ende des Flurs.
Darby verließ das Schlafzimmer mit der Waffe im Anschlag und überprüfte das nächste Badezimmer. Niemand da. Ein schneller Blick über das Treppengeländer hinunter in den Eingangsbereich: Nichts. Als nächstes ging Darby in das Zimmer, das Charlie Rizzo früher bewohnt hatte. Anstelle der Star-Wars-Bettwäsche und der Darth-Vader-Poster an den verschrammten weißen Wänden fand sie einen Raum in kräftigem Gelb, das im Sonnenlicht fast golden schimmerte. Auf dem Bett eine Decke mit lila Bezug. In der Nähe des Fußendes befand sich die inzwischen weiß angestrichene Tür des Einbauschranks. Sie war mit Polaroidschnappschüssen von einem Mädchen beklebt, dem die Panik ins Gesicht geschrieben stand.
Darbys Blick fiel auf die blutigen Tentakel, die sich in den Teppich um die Schranktür gesaugt hatten. Sie riss sich von dem Anblick los und ging zur Tür des gegenüberliegenden Zimmers. In dem Raum stand ein Stockbett mit zerwühltem Bettzeug, auf dem hellbraunen Teppich lagen weitere Legosteine verstreut. Die Vorhänge waren zugezogen, der Wind rüttelte an den Fensterscheiben. Darby warf einen Blick in den Einbauschrank des Zimmers, dessen beide Türen offen standen. Kinderkleidung.
Mit drei schnellen Schritten war sie wieder in dem goldfarbenen Schlafzimmer. Dort betrachtete sie mit der Waffe im Anschlag die Fotografien.
Acht Bilder waren an der hölzernen Tür befestigt. Jedes zeigte dasselbe Mädchen mit leicht sonnengebräunter Haut und langem blondem, von einem roten Gummiband zusammengehaltenem Haar. Ein Teenager. Darby sah das Entsetzen im Gesicht des Mädchens – erkannte in ihr Jack Caseys Tochter Sarah. Sarah sah ihrem Vater sehr ähnlich, hatte dieselben blauen Augen, dieselbe schmale Nase mit dem kleinen Höcker an der Spitze.
Eine Nahaufnahme zeigte die mit Industrieklebeband gefesselten Handgelenke des Mädchens. Der rote Nagellack an den schlanken Fingern war an vielen
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