Zerstörte Seelen
dauernder Angst und steht fast ständig unter Beruhigungsmitteln.»
Eine Stimme tönte aus der Sprechanlage. «Ankunft in fünf Minuten.»
Sergey stemmte sich aus dem Sitz. «Dann bereiten wir besser mal alles vor.»
52. Kapitel
Ein paar Minuten später hielt der Van. Als Sergey ausstieg, sah Darby durch die Tür die rissige Asphaltfläche eines Parkplatzes und einen Müllcontainer. Der Wind rüttelte an den Bäumen am Rand des Platzes. Sergey schloss die Tür hinter sich, damit sie sich umziehen konnte.
Coop war geblieben. Die Ellbogen auf die Knie gestützt, saß er da, rieb sich die Hände und starrte auf seine Finger.
Darby hatte sich bis auf den Sport- BH und die Boycut-Shorts ausgezogen, als er fragte: «Hast du eigentlich nie die Nase voll?»
Darby stieg in die schwarze Hose, die Sergey ihr hingelegt hatte. «Wovon?»
«Davon, dich an Orten herumzutreiben, die selbst Engel meiden würden.»
Sie zog sich ein langärmeliges Nomexshirt über, dessen Material dem Verlust von Körperwärme entgegenwirkte. Sie stopfte es in die Hose und lächelte. «Irgendwer muss es ja tun.»
Coop erwiderte ihr Lächeln nicht. «Warum gerade du?»
Sie zuckte die Achseln und band ihr Haar zu einem Pferdeschwanz zusammen. «Weil ich ein Händchen dafür habe.»
«Für Gewalt.»
«Dafür, das Richtige zu tun», sagte sie. «Was ist eigentlich los? Bist du sauer, weil ich dich in die Sache hineingezogen habe?»
«Damit musste ich rechnen.»
«Also, was ist?»
Er sagte nichts. Sie zog sich eine schwarze Polypropylensturmhaube über den Kopf.
«Charlie», sagte sie.
Coop blickte auf.
«Er wollte diese Leute auffliegen lassen. All die vermissten Kinder …»
Coops Nicken sagte ihr, dass er ihr in der Sache recht gab, die Art und Weise des Vorgehens aber nicht guthieß.
Darby warf ihm ihre Schlüssel zu. «Sag Sergey, er soll meine Wohnung auf Wanzen durchsuchen lassen. Er soll meinen Anrufbeantworter mitnehmen und sich die Aufzeichnung des Gesprächs anhören, das ich mit einem der Männer aus dem Rizzo-Haus geführt habe. Mit dem, den ich an den Baum gefesselt hatte und der später entkommen ist. Sergey weiß, worum es geht.»
«Wird gemacht. Sonst noch was?»
«Ja. In der Nacht an der Explosionsstelle hat sich eines dieser … Wesen im Keller verletzt. Ich konnte etwas von seinem Blut von einer Wand abwischen. Die Probe ist in einer Pflasterdose im Gepäckkoffer meines Motorrads … Was ist denn jetzt wieder?»
«Ich mache mir Sorgen um dich, Darby. Irgendwann wird deine Glückssträhne enden, und wenn dieser Tag kommt, will ich nicht dabei sein und sehen, was von dir übrig ist.»
Darby öffnete die Tür des Vans. Coops letzte Worte folgten ihr hinaus ins helle warme Sonnenlicht auf den Parkplatz hinter einer Polizeiwache.
Virginia Cavanaugh, eine schmale grauhaarige Frau, die gut in eine Nonnenschule gepasst hätte – schlichter, strenger Kaschmirpullover, blaue Polyesterhose und schwarze Gesundheitsschuhe –, stand neben ihrem soliden beigefarbenen Buick LeSabre. Beim Anblick der Frau sah Darby sofort ein Haus voller mit Plastikfolie abgedeckter Möbel und militärisch akkurat gefalteter Bettlaken vor sich.
Sergey hatte Virginia Cavanaugh bereits erklärt, was sie tun sollte. Sie stellte keine unnötigen Fragen. Ihre Aufgabe war nicht schwer. Sie musste nur zum Haus zurückfahren, fernsehen, lesen oder das tun, womit sie auch sonst ihre Tage zubrachte.
Darby öffnete den Kofferraum und stellte fest, dass die alte Frau ein gutes Herz hatte: In dem blitzsauberen Kofferraum lagen eine Decke und ein Kopfkissen für sie.
Darby kletterte in den Wagen, Sergey reichte ihr den Rucksack mit der Ausrüstung und dem Werkzeug und schloss den Deckel. Einen Augenblick später wurde der Motor angelassen, und Virginia Cavanaugh fuhr gemächlich nach Hause.
53. Kapitel
Nach vielleicht zehn Minuten hörte Darby, wie sich ein Garagentor öffnete. Kurz darauf hielt der Wagen, und das Tor schloss sich mit einem mahlenden Geräusch. Die Kofferraumverriegelung sprang auf.
Darby kletterte mit ihrem Rucksack heraus und folgte der Frau ein paar Stufen hinauf in ein Haus mit hohen weißen Wänden und voller Möbel, die mit Plastikfolie abgedeckt waren. Die abgestandene warme Luft roch schwach nach Zigarettenrauch und angebranntem Speck.
Der kühle, höhlenartige Keller war mit dunklen Holzpanelen ausgekleidet, wie sie in den frühen 70er Jahren modern gewesen waren. In der Mitte des Kellerraums lag ein
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