Zerteufelter Vers (German Edition)
zornig an, dass die Luft zwischen ihnen zum Spalten war. »Was…?« Kirt ließ alle Wut fallen und blickte ihr irritiert in die Augen. Gloria konnte kaum sprechen, so sehr drückte ihr die Panik vor dem eigenen Tod die Luft ab. Ungläubig schüttelte sie den Kopf: »Du weißt es ganz genau. Das Buch lügt nicht. Das waren deine Worte!« Kirt starrte sie bitter an. » Was weiß ich?« »Was das Buch schreibt. Ich wollte dir alles erzählen – in der Grillhütte auf der Matratze. Aber du hast mir das Buch zurückgegeben und gesagt, dass du den Inhalt kennst.«
Kirt starrte sie nur an. Gruselig und schier gefährlich klang seine Stimme, als er jedes einzelne Wort betonte: »Was – weiß – ich?« Die Sekunden standen wie Stahlseile in der Luft und ließen sie zerspringen. Unendlich lange flimmerten Wahnsinn und bittere Realität zwischen ihnen und zerquetschten den letzten Funken Hoffnung in Glorias Herz. Es traf Kirt wie ein Hagelmeer… wie Messer. Jede Klinge so tief in den Körper gerammt, dass selbst ihm der Schmerz in der Kehle brannte. Er hatte es nicht gewusst, Gloria war sich plötzlich sicher. Aber das bedeutete auch, dass alle Hoffnung, die sie in ihn gesetzt hatte, zunichte war. Er wusste vielleicht mehr über die Welten zwischen Sein und Schein, doch was das Buch ihr schrieb… Das hatte er nicht gewusst.
»Was?« Kirt wirkte wie vor den Kopf gestoßen. Er sog die Luft ein, wollte das Wort ergreifen, doch er brach ab und schwieg. Fassungslosigkeit machte sich breit und Gloria starrte ihn nichts sagend an. Die Gedanken quälten sich durch ihr Hirn und die Erkenntnis darüber, dass er nie von den Todesdaten des Buches gewusst hatte – zumindest nicht von ihrem , sickerte schmerzhaft in ihr Herz. Glorias Mund erschien so trocken, dass es noch nicht einmal möglich war, zu schlucken. Sein Blick haftete entsetzt auf ihrem und ehe er etwas sagen konnte, stellte Gloria sich mit einer letzten, brennenden Frage vor ihn.
»Sag´ mir nur eins: Ist das Leben vorbestimmt, wie eine Art Schicksal?« Sie machte eine kurze Pause und traute sich kaum, weiterzusprechen… »Oder hab´ ich noch eine Chance?« Glorias Blick glühte und Kirt war anzumerken, dass ihn tausend Gedanken gleichzeitig quälten. Er wusste nicht, worüber er sich zuerst und zuletzt Sorgen machen sollte und antwortete schlicht mit seinem Wissen; auch wenn man ihm seine schiere Verzweiflung anmerkte. » Du bestimmst dein Leben selbst! Du bist Herr deiner Taten. Dein Leben und das, was du daraus machst… ist allein deine Entscheidung!«
Es klang wie auswendig gelernt, wie monoton abgespult von einer Kassette, die ihr Ende erreicht hatte und Gloria ergriff von neuem zögerlich das Wort: » Das Leben ist meine Entscheidung… der Tod nicht!« Es klang keineswegs nach einer Frage und Kirts Antwort ließ ebenso wenig Hoffnung: »Nein, der nicht… Das ist der einzige Unterschied: Über dein Leben bestimmst du! – Über deinen Tod nicht.« Er sagte es nüchtern und atemlos; als seien alle Nervenbahnen gekappt, als sei der letzte Tropfen Leben schon jetzt zerronnen.
Die Waagschale war gekippt. Gloria hatte immer gehofft, dass Kirt sie auffangen würde. Sie hegte sogar einen Funken Hoffnung, dass er selbst eine Art Engel war. Zumindest hatte sie ersehnt, dass er ihr zur Seite stehen würde – auf eine Weise, die genauso überweltlich erschien, wie bisher. Aber von der Kraft, die Kirt bislang ausstrahlte, war mit einem Mal nichts mehr zu spüren. Es hatte ihn genauso getroffen, wie es sie damals selbst erschlug. Das waren die Momente im Leben, in denen einem sonst wohl ein Blutengel begleitet hätte. Aber in ihrem Fall?
Gloria spielte schon jetzt in einer anderen Liga, als der Rest der Menschen. Nur – was würde es ihr am Ende helfen? – Nichts. Zumindest durfte sie ab genau diesem Zeitpunkt nicht mehr darauf hoffen. Das Blatt hatte sich gedreht – wie der Wind. Und er wehte ihr kalt ins Gesicht. So bitterkalt, dass es ihr in den Augen brannte. Aber was war das Leben wert, wenn man zuließ, dass die Schatten des Todes es verdunkelten…?
Es half nichts! Gloria wirkte nicht mehr so geschockt, wie beim ersten Mal; ganz im Gegenteil. Sie war sich darüber im Klaren, dass nichts, aber auch gar nichts half, zu vergessen, was man wusste. Und sie wusste eines: Entweder sie erstickte in Verzweiflung und verlebte ihre letzten vier Monate in Trauer und Angst… Oder sie ließ alles hinter sich zusammenfallen und quetschte jeden Tropfen Leben heraus, den
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