Zerteufelter Vers (German Edition)
wer hinter all den Texten steckte – ein alter Blutengel, schon lange nicht mehr offiziell, doch immer noch lieb und verständnisvoll. Aber Gloria würde mehr Fragen haben, als ihm vor dem Polizisten lieb war und eine Stunde Besuchszeit reichte wohl nicht aus, um darüber zu reden. Somit beließ es Kirt dabei, über den Inhalt Maribells Worte nachzudenken.
»Falsche Gesichter, falscher Schein…« Kirt verzog kurz das Gesicht, ehe er fortfuhr. »Der Hölle dunkles Äugelein… Dreimal darfst du raten, wer damit gemeint ist.« Kirt sah Gloria eindringlich an. »Du meinst…?« »Genau.« Gloria war sich nicht ganz sicher gewesen, aber im Grunde genommen hatte sie ebenfalls auf Magnus getippt. »Du hast mir nie davon erzählt.« Kirt lächelte kurz und strich ihr sanft über die Haare. »Das ist auch besser so. Schlimm genug, dass du ihm den Kampf angesagt hast. Darauf hatte er es doch nur abgesehen.«
Gloria genoss seine Berührungen. »Das war auch der wahre Grund, warum ich damals weggegangen bin!« Sie sah Kirt unverständlich an und so fuhr er schnell fort: »Ich wäre nie fortgegangen – nicht nach Amsterdam, noch irgendwo anders hin. Kurz nach der Aktion mit…« Kirt hielt inne und Gloria war klar, dass er die Sache mit Jansen meinte. Sie nickte Kirt zu, der daraufhin weitersprach: »Es war mir ohnehin schon nicht einerlei, dass wir uns so mochten. Als er plötzlich aufgekreuzt war…« Gloria dachte augenblicklich an Magnus und Kirt erklärte weiter: »Als er wie aus dem Nichts erschienen war, wusste ich, dass ich dich nur schützen kann, wenn ich mich aus deinem Leben heraushalte.«
Maribell sah das ganze offenbar anders, denn sie hatte Gloria weiterhin Gedichte geschrieben. Kirt gab ihr einen sanften Kuss. »Auch wenn es egoistisch war… Insgeheim freute ich mich natürlich, als Rommerz mich dazu verdonnerte, bei dir zu bleiben. Aber hätte ich es nicht gemacht, würde der morgige Tag wohl keine Bedeutung für dich – für uns – haben!«
Kirt sah Gloria verzweifelt an, die schnell antwortete: »Sag´ das nicht! Von dem Datum wusste ich außerdem schon vorher!« Kirt hielt inne und überdachte seine Wortwahl, so dass der Polizist mit seinen Aussagen nichts anfangen konnte… »Glaub´ nicht, dass ich dir das ganze, wonach du mich immer gefragt hast, verschweigen will! Es ist nur zum Schutz gewesen…« Kirt verzog das Gesicht. Im Nachhinein musste er bitter einsehen, dass er sie nie hatte beschützen können! Kirt strich ihr sanft über die Wange und gab ihr erneut einen zärtlichen Kuss.
Das Leben konnte so seltsam drein spielen… Da hatte Gloria noch einen Tag, aber wirklich leben konnte sie nur noch diese eine Stunde. Genau das musste der Sinn des Lebens sein: Glück war nur echt, wenn man es teilen konnte. Leben war nur echt, wenn man es aufsog und in sein Herz schloss… und Liebe war nur echt, wenn man beides dafür hergeben würde!
Die Zeit verging viel zu schnell. Lag nicht genau darin die Ironie des Lebens? – Dass die Zeit rannte, wenn sie einem heilig war… Und dass sie träge vorwärtskroch, wenn man es leid war?! Immer wenn man etwas wirklich zu schätzen wusste, wies einem die Zeit das Ende. Jeder Atemzug war einer weniger! Wie viele hatte sie noch? »Du musst mir versprechen, dass du bei mir bist!« Gloria sah Kirt flehend an, doch sie wusste selbst, dass er nicht bei ihr sein konnte. Wieder traten Tränen in ihre Augen und Kirt küsste sie fort. »Ich werde immer bei dir sein. Immer!«
Er gab ihr einen langen Kuss und schaute sie danach eindringlich an. Es war jener Blick, der ihr den Boden unter den Füßen fortzog; ein Blick, der anders war als die Blicke, die ein einfacher Mensch einem schenken konnte. Das war er – Kirt – und er war das Beste, was Gloria je passieren konnte! Kirt sah sie liebevoll und gleichzeitig gequält an. »Verzeihst du mir?« Kirts Stimme klang kleinlaut und leise. Gloria schaute ihm lange in die Augen. »Ich muss dir nichts verzeihen. Aber wenn du es dir wünschst… Ja.« Gloria küsste Kirt auf den Mund und hielt sich an ihm fest, bis der Polizist schließlich mehrfach auf die Uhr sah.
Das Bild, das sie gemeinsam abgaben, wirkte schauerlich, als würden sie sich für immer verabschieden müssen. Dass dieser vermeintlich einfältige Gedanke des Polizisten in Wahrheit bittere Realität war, stand wie ein Fluch in der kargen Gefängniszelle. Die einstündige Besuchszeit war irgendwann vorüber, doch Kirt ließ Gloria nicht los und umgekehrt
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