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Zerteufelter Vers (German Edition)

Zerteufelter Vers (German Edition)

Titel: Zerteufelter Vers (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daria Verner
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– Was sie erlebte, glich einem Chaos und dieser Mensch, der sie jetzt im Arm hielt – war der normal? Zumindest wirkte das Gefühl in ihrem Bauch es nicht. Denn wenn Gloria eines wusste – dann, dass sie ihn am liebsten nie wieder loslassen würde!
     

9 Das Buch
    Gloria öffnete ihre Augen. Die Sonne blendete durch das Blättermeer der Baumkrone hindurch, als die Gedanken von gestern sie augenblicklich wieder einholten. Ihr Blick wanderte zu Kirt. Er war bei ihr geblieben… lag der Länge nach neben ihr auf dem breiten Holzbrett und schlief noch. Gloria kramte im Rucksack nach ihrem Handy, um herauszufinden wie spät es war; halb zwölf mittags! Sie reckte sich müde und erinnerte sich in Ruhe an die gestrige Rettungsaktion.
    Die Erlebnisse der letzten Wochen – und vor allem das gestrige – hatten ihr Abstand gegeben zu ihren eigenen Problemen! Der Schmerz und die Trauer um ihre Mum waren geblieben, aber Gloria besaß nunmehr das Gefühl, als wäre sie nur ein winziger Teil im riesigen Universum. Und die anderen tragischen Unglücke… Sie schlugen jenen Familienangehörigen genauso ins Gesicht, wie sie es selbst getroffen hatte. Auch wenn es eigentlich nichts änderte – Glorias Fokus stand plötzlich nicht mehr einzig und allein auf dem Tod ihrer Mutter.
    Sie schaute auf die schwarzen Ränder ihrer Fingernägel und versuchte, den Dreck fort zu kratzen. Gloria fühlte sich nicht mehr mies oder schlecht. Es war eher ein Gefühl der Ruhe; wie eine Auszeit – Zeit zum Nachdenken. Die Vögel zwitscherten und die Blätter bewegten sich langsam im Wind. Ihre Gedanken reihten sich viel klarer aneinander, als sie es in der letzten Zeit empfunden hatte. Gloria war scheinbar machtlos gegen das Buch. Einerseits irritierte sie das, andererseits nahm es eine enorme Last: Der Druck, den das Buch auf sie ausgeübt hatte, erschien nicht mehr so gebündelt wie zuvor.
    Bei dem Verkehrsunfall der Frau besaß sie keine Chance! Zunächst machte Gloria sich Vorwürfe, aber jetzt sah sie die ganze Sache mit wesentlich mehr Abstand. Sie dachte wieder an gestern. Die Art und Weise wie Jansen gesprungen war, wirkte vollkommen unspektakulär. Er hatte sich einfach nach vorn gekippt, sein Gewicht nur leicht verlagert – und dann war er weg! Gloria ließ die Szene wieder und wieder vor ihrem geistigen Auge Revue passieren. Gleich danach hatte Kirt den Ort des Geschehens sofort verlassen und sie davon abgehalten, das Buch aufzuschlagen. Gloria schmunzelte… Er konnte ja auch nicht wissen, was es für ein Buch war!
    Apropos – sollte sie hineinsehen? Schrieb es etwas Nettes oder würde ein Schwall der Empörung über sie hinweghageln? Gloria schnappte sich ihren Rucksack und holte es heraus – nicht, ohne einen Blick auf Kirt zu werfen, der immer noch schlief. Ganz langsam blätterte sie die Seiten um. Gloria atmete tief durch, als ihre Augen die Überschrift eines neuen Gedichtes erfassten!
    Weltensterben
    Sorgen und Angst, Gewalt und Verderben
Verzweifel´ nicht, sei fröhlich und gut.
Kannst nichts tun – gegen das Weltensterben,
ertrink nicht in dir, hab´ neuen Mut.
    Du bist nicht mächtig, dagegen zu stemmen,
so ist es nicht deine Pflicht.
Angst und Wut sollen verbrennen,
nur mit dir selbst, du stehst im Gericht.
     
    Gloria ließ das Gedicht auf sich wirken und las es gleich ein zweites Mal. ‹Verzweifel´ nicht, sei fröhlich und gut.› Das Buch hatte leicht reden… Aber immerhin tröstete es: Die Befürchtung, eine verbale Ohrfeige zu erhalten, trat zum Glück nicht ein und die Nervosität, die in Gloria eben noch herrschte, ließ nach. Dieses Gedicht bestätigte fast schon das, worüber sie eben selbst nachdachte: ‹Kannst nichts tun gegen das Weltensterben.› Dort stand es schwarz auf weiß und es beruhigte Gloria. Sie war nicht in der Lage, etwas dagegen auszurichten, dass die Dinge passierten, wie es bestimmt schien. Aber welcher Sinn ging dann damit einher, die Todesdaten dieser Menschen zu kennen?
    ‹Du bist nicht mächtig, dagegen zu stemmen, so ist es nicht deine Pflicht. Angst und Wut sollen verbrennen, nur mit dir selbst, du stehst im Gericht.› Gloria las die Zeilen nochmals und spürte deren beruhigende Wirkung. Doch was sollte sie davon halten? Mit dem Ausbruch aus dem Alltag und ihrem Verschwinden nach Düsseldorf beschritt Gloria eine neue Richtung, ohne zu wissen, was auf sie zukam. Die Entfernung allein schien es aber nicht zu sein, die ihr geholfen hatte, besser mit der Trauer

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