Zerwüteter Pakt (German Edition)

ernst!
    Sämtliche Zeilen aus den neuen Gedichten von Maribell preschten ihr jenen Unmut entgegen, mit dem sie geschrieben waren. Eine Passage nagte sich dabei bitter in ihr fest: ‹Sei gewarnt, ich sag´s dir klar, göttlich´ Entscheidung absehbar. Undankbar, du Gloria!› Tiefe Zweifel schrien in ihr auf: Kirt selbst war darüber erschrocken gewesen, dass angeblich Gott höchstpersönlich ihren Tod beschlossen hatte. Kirt durfte offenbar für sie sterben, doch welche Zusammenhänge bestanden zwischen Maribells Gedichten und den Geschehnissen der letzten Nacht? Und was hatte die rote Schrift damit zu tun? Wenn es andere, bösartige Wesen gab – hätte Kirt ihr nicht davon erzählt? Über Magnus allerdings verlor er zu Beginn auch kein Wort… Konnte es möglich sein, dass Magnus persönlich sie derart hart anging? War es tatsächlich Magnus , der sich einen Spaß daraus machte, sie zu tyrannisieren? Tausend Fragen drehten sich im Kreis und Gloria wurde keinen Deut schlauer.
    Beim Plattenladen angekommen, hielt Jens ihr die Tür auf. Gloria betrat den kleinen Raum, in dem sich die CDs nach strikter Ordnung türmten. – Und das im Zeitalter digitaler Medien! Dieser Laden würde wohl nicht mehr lange existieren. Gleich mehrere Personen verweilten wie in einer Bibliothek an den einzelnen Regalen. Glorias Finger streiften über die CD-Hüllen. Bei dem Genre ‹Punk-Rock› hielt sie inne. Auf diesen Geschmack war sie erst in Düsseldorf gekommen. Noch dazu erinnerte sie die Musik an Kirt. Sie stöberte zwischen den CDs, als plötzlich eine Männerstimme erklang und Gloria aufblicken ließ.
    Neben ihr stand ein lächelnder Kerl – vielleicht etwas älter als sie. »Magst du Punk?« Er begutachtete währenddessen ein paar Cover und Gloria tat es ihm nach. »Das ein oder andere…« Sie wollte nicht sonderlich interessiert klingen. »Kennst du die Dropkick Murphys?« Gloria schüttelte den Kopf. »Sind die gut?« Der Typ lächelte und antwortete begeistert: »Ich habe vor kurzem ein Konzert gesehen – genial!« Ein Schmunzeln zog sich über ihre Lippen, als Gloria plötzlich die CD einer Band ins Auge stach, die Kirt ihr damals vorspielte: The Briggs. Alte Erinnerungen wurden wach und ohne zu zögern nahm sie die Hülle aus dem Regal. »Was hast du da?« Der Typ schaute interessiert auf ihre Hände, als Gloria das Cover in seine Richtung drehte. »Ah, die kenne ich. Ich sehe, du hast Geschmack.«
    Gloria entfernte sich von der Nervensäge, um weitere CDs anzuschauen. Zeige- und Ringfinger wechselten sich dabei träge ab, als ihr ein kleiner Zettel zwischen zwei Hüllen auffiel. Sie zupfte ihn heraus und drehte diesen um. Ihre Augen wurden ganz groß – das hatte sie nicht erwartet: Auf der Rückseite des Zettelchens prangten vier Zeilen mit der Unterschrift MV!

    Siedender Bann, ertrinkendes Wann,
gefesselt vom Streben,
sehnsüchtiges Leben,
erstickt im Keim –
ich lass´ dich nicht allein!
    MV
    Als hätte Gloria die geheime Nachricht eines Spions zugesteckt bekommen, ließ sie das Zettelchen aufgeregt in ihrer Hosentasche verschwinden. Am liebsten hätte sie es noch im selben Moment wieder herausgenommen, um die Verse erneut zu lesen, doch Jens war bereits auf sie aufmerksam geworden. Eiskalt lief es ihr den Rücken hinunter: Maribell ließ sie nicht allein! Was auch immer hinter den Geschehnissen der letzten Nacht steckte – Maribell hatte sie also nicht verlassen. In Gloria überschlugen sich die Gedanken regelrecht, als Jens sie auf die CD-Hülle in ihren Händen ansprach. »Was hast du da?« Gloria wirkte von dem Fund Maribells Nachricht derart hin und hergerissen, dass sie überrascht auf die CD in ihren Fingern schaute. »Äh… Die wollte ich mir kaufen.« »Zeig´ mal her.«
    An der Kasse erhielt Gloria eine kleine Tüte, als ihr der Typ von eben auffiel. Als Jens und Gloria gerade durch die Tür nach draußen gehen wollten, kam er schnellen Schrittes zu ihr gelaufen und hielt ein kleines Postkärtchen in der Hand »Ich hab´ dir noch eine Band aufgeschrieben, die total super ist!« Er wedelte begeistert mit dem Kärtchen vor ihrer Nase herum. Gloria konnte auf die Schnelle nur erkennen, dass er mit einem Edding irgendetwas auf die Karte gekritzelt hatte, als er sie schon in ihre Tüte gleiten ließ. Offenkundig war es ihm plötzlich peinlich, wie er sie auf seine Lieblingsbands aufmerksam machen wollte, denn leichte Röte stieg auf seine Wangen. Gloria lächelte ihn kurz an, bedankte sich und verließ