Zicke
uns zusammen und wir setzten uns in eine Ecke.
»Scheint ja lustig zu sein, die Arbeit hier«, meinte Lee.
»Die Betonung liegt auf ›scheint‹.«
Bei der Familie vorn am Eingang klirrte es laut; ein Kind fing an zu weinen.
»Jetzt ist aber Schluss«, schimpfte die Mutter.
»Keine Limo mehr!«
»Ich hab das doch nicht mit Absicht gemacht«, jammerte das Kind. »Ich wollte sie nicht verschütten!«
Ich deutete auf die Familie. »Das ist wieder typisch. Jetzt nehmen die gefühlt achthundert Servietten, um |94| den Tisch sauber zu wischen, während der Rest im Boden versickert. Später geh ich mit dem schmutzigen Schrubber drüber, nur kann ich natürlich nicht sehen, was zum Teufel ich mache, weil Michael nicht an Glühbirnen glaubt. Wirklich lustig hier.«
»Trotzdem«, sagte Lee. »Zumindest hast du irgendwie Kontakt zu deinen Kollegen und alles.«
»Nennt man das so?«
Sie musterte mich. »Alles in Ordnung mit dir?«
»Ja.« Ich saugte Flüssigkeit im Strohhalm hoch und ließ sie dann wieder ins Glas flutschen, wie ich es als Kind gern getan hatte. »Du wolltest mich um Rat fragen?«
»Ja-ah«, sagte sie langsam. »Aber erst mal – bist du sicher, dass es dir gut geht? Du kommst mir … ein bisschen wuschig vor. Nicht ganz du selbst. Ist es, weil du diesen Sommer ausziehen willst? Hast du es deinen Eltern erzählt? Sind sie ausgerastet?«
»Nein. Sie wissen nichts davon. Wie gesagt, es ist kein richtiger Plan. Bloß ein Idee.«
Genau jetzt hätte ich ihr das mit Tommy erzählen sollen, aber der kam gerade mit einem Krug Malzbier an und wieder war eine Chance vertan.
»Nachschenken?«, fragte er und zwinkerte Lee zu.
»Wir haben uns
eben erst
hingesetzt«, stöhnte ich – und nicht: ›Du bist zum Kotzen!‹, was ich eigentlich sagen wollte. Als er wegging, griff ich das Gespräch wieder auf. »Mir geht’s gut. Raus mit der Sprache. Ich bin hier, um dich zu beraten.«
Ich sah, wie Tommy zur Musikbox rüberging und |95| ein paar Vierteldollar einwarf. Er drückte seine Nummern, und der erste von einigen – wie ich wusste – schlechten 80er-Rocksongs dröhnte aus der Maschine.
Lee blickte über die Schulter und lachte. »Ist es hier immer so laut?«
»Keine Sorge. Gleich kommt Michael raus und dreht leiser. Das ist ein heiliges Ritual.«
»Bevor ich’s vergesse: Wir fahren morgen weg, so was wie ein Campingausflug für die ganze Familie. Burt will eine Tradition ins Leben rufen. Kommt mir ein wenig spät vor, da Peter ja schon im College ist, aber …«
»Du fährst
morgen
?« Sie hatte immer so viele Sachen am Laufen: Kirchenkram, Familienkram, Pärchenkram … »Wie lange bist du weg?«
»Zehn Tage. Schätze ich. Wenn ich es so lange aushalte.«
Ich stieß meinen Strohhalm ins Malzbier und spielte mit dem Eis. »Wird bestimmt lustig.«
Sie rollte mit den Augen. »Ich weiß.«
»Ich mein’s ernst«, sagte ich. »Wirklich, wird bestimmt lustig. Eine ganze Familie fährt zusammen weg und unternimmt was, das nicht Arbeit ist. Lustig.«
»Soll ich fragen, ob du mitkommen kannst?« Sie schenkte mir einen ihrer Spezialblicke, die mir das Gefühl gaben, ich sei abgrundtief gesunken, weil ich
mich selbst
an ihrer Stelle mit Jason zusammen sah. Es war der Blick, der bedeutete, dass man ihre ganze |96| Aufmerksamkeit hatte, dass sie alles stehen und liegen lassen würde, um zu hören, was dich beschäftigt, und dann alles in ihrer Kraft Stehende tun würde, damit es dir besser geht. An einem guten Tag akzeptierte ich diesen Blick und fing an zu reden. An einem schlechten Tag fand ich einfach nur, dass ich ihn nicht verdiente.
»Ich mach nur Witze«, murmelte ich und tat mein Bestes, um Stacys ›Bewegung‹ nachzuahmen. Das mit dem Kopfzurückwerfen jedenfalls. »Beratung!«
Wie ich vorhergesagt hatte, kam Michael aus dem Hinterzimmer und drehte die Musikbox leiser, gerade als Tommy unsere Pizza rüberbrachte und Lee beäugte. »Dee Dee liebt mich nicht mehr«, frotzelte er. »Aber du bist irgendwie süß. Hast du einen Freund?«
»Halt die Klappe«, sagte ich verärgert. »Sie ist zu alt für dich.«
Als er wegging, flüsterte Lee: »Weshalb bist du so gehässig zu ihm? Er ist nicht übel.«
Ich versuchte, ihn durch ihre Augen zu sehen: groß und einigermaßen hübsch, mit dunklen Haaren, einer ›Out of Bed‹-Strubbelfrisur und seiner lockeren Art zu flirten. Noch so ein harmloser Rumhänger aus Pacifica ohne Aussicht auf irgendwas.
»Es liegt am
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, wie du gesagt hast.
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