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Zicke

Zicke

Titel: Zicke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Zarr
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Scheiben. Ich sah das Licht der Scheinwerfer um die Ecke peitschen und verschwinden. Drüben auf der anderen Seite des Parkplatzes, vor dem geschlossenen Donut-Laden, tranken ein Mann und eine Frau Dosenbier. ›So werde ich eines Tages auch enden‹, dachte ich. ›Gefangen in der Einkaufsmeilenhölle, im Sommer werde ich mir den Arsch abfrieren und mich volllaufen lassen, zusammen mit irgendeinem Loser wie Tommy, der dann wahrscheinlich mein einziger Freund sein wird.‹ Ich wandte mich an Michael. »Kann ich dich was fragen?«
    »Nur zu«, sagte er.
    »Du bist doch so etwas wie ein Erwachsener, selbständig und mit Geld, oder?«
    »Theoretisch.«
    »Würdest du dich freiwillig dafür entscheiden,
hier
zu leben?«
    Er lachte: »Machst du Witze? Ich liebe diese Stadt!«
    »Warum?«
    »Sie hat alles: den Strand, einen Videoladen,
Safeway
, Mieten, die ich mir fast leisten kann. Es ist ruhig, aber ich kann in einer halben Stunde in San Francisco sein, wann immer ich will.« Er schwang mit seinem Arm durch das feuchte Grau, die glühende Zigarette in der Hand. »Und der Nebel! Liebst du nicht auch den Nebel?«
    »Wenn du mit ›lieben‹ meinst ›aus tiefstem Herzen hassen‹, dann ja, dann liebe ich den Nebel.«
    |104| »Ach, Deanna. Du bist so bewundernswert zynisch.« Er klappte seinen Kragen hoch und kicherte. »Bisschen kalt, schätze ich.«
    Stacy fuhr vor; ich verabschiedete mich von Michael und sprang ins Auto.
    Als wir zu unserer Straße kamen, stoppte sie urplötzlich den Wagen und sah mich an. »Wir sollten ausgehen! Mädchenabend, weißt du? So was machen wir nie. Drinks und Mucke aus der Jukebox und uns albern aufführen, wie wär’s? Du bist kein Kind mehr.« Sie war ganz begeistert. »Wir können dir einen falschen Ausweis besorgen, völlig easy. Ich kann Kyle Peterson anrufen …«
    Ich sah sie an, weil ich wissen wollte, ob sie das ernst meinte. Sie hatte immer noch ihren Arbeitskittel vom Supermarkt an und die Haare hochgesteckt. Das erinnerte nicht gerade an die Crazy Stacy, die sie damals war, als Darren sie kennenlernte. »Wie bitte?«, fragte ich. »Darren mit April zu Hause lassen und einfach so in ’ner Bar auf den Putz hauen? Meinst du, das würde ihm gefallen?«
    »Ab und an, natürlich. Nicht jede Woche.« Sie hob die Hände und ließ sie dann wuchtig wieder aufs Steuer fallen. »Vergiss es. War nur so ’ne Idee.«
    Wir standen an der Straßenecke, bis ein Auto hinter uns fast auffuhr und wütend hupte.
    »Mist.« Stacy seufzte. »Ich glaube, wir müssen heim.« Sie bog in die Straße ab und fuhr zum Haus.
    Ich stellte mir eine Zeit in naher Zukunft vor, in der sie und ich an einem anderen Haus vorfahren würden, |105| an einer anderen Tür. Es würde ein Zuhause sein, auf das wir uns freuten. Wir würden uns ganz von allein in den Sitzen entspannen, wenn wir uns mit dem Auto auf den Heimweg machten. An einem solchen Ort würde ich fähig sein, das zu überwinden, was mich daran hinderte, die Art von Freundin für Lee zu sein, die sie an diesem Abend gebraucht hätte, oder die Art von Tochter, die mein Dad wollte. Ich würde den Arm ausstrecken, die Hand dieser anderen Deanna ergreifen und sagen: ›Komm schon, es ist jetzt okay. Du bist zu Hause.‹

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    |106| 6
    Am nächsten Morgen blieb ich im Bett, unter der Decke, bis Mom, Dad und Darren zur Arbeit gegangen waren.
     
    Die Nacht auf dem Ozean war eine Welt fern vom Tag.
    Endloses Dunkel, das selbst die Kühnsten ängstigt.
     
    Das Mädchen begann sich zu fragen, ob jemand nach ihm suchen würde.
     
    Ich las alles noch mal durch, was ich bisher geschrieben hatte. Es nervte. All das nervte einfach. Es war keine Geschichte, es war kein Tagebuch, es war kein Gedicht. Es war gar nichts. Ich strich die Seiten mit großen X durch, steckte das Buch hinters Bett und ging nach unten, um mit Stacy fernzusehen – mit schlechtem Gewissen, weil ich ihre Idee mit der Mädchennacht in den Wind geschlagen hatte. Ich erwog ungefähr drei Sekunden lang, ihr die Sache mit Tommy zu erzählen, aber sie hätte es für ihre Pflicht gehalten, Darren zu informieren, und dann wäre die Kacke am Dampfen.
    |107| Sie saß auf dem Boden und sah sich ein Magazin an. April schlief noch. Ich stieg ins noch warme Bett und rutschte gen Bettkante hinüber zu Stacy, damit ich über ihre Schulter mitlesen konnte, während ich mit dem anderen Auge fernsah.
    »Jack Abbott benutzt ziemlich starke Haarpflegeprodukte«, stellte ich fest.
    »Zweifellos.«
    So saßen

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