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Zicke

Zicke

Titel: Zicke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Zarr
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macht Spaß. Oder hast du vielleicht Besseres zu tun? Ich weiß, du hast keinen Freund.«
    »Woher willst du das wissen?«
    Er zuckte die Achseln und lächelte. »Nur so ’ne Ahnung.«
    In diesem Moment kam ich zur Besinnung. Tommy war immer noch ein Arsch, der glaubte, diese Stunden mit ihm im Auto würden mein ganzes Leben ausmachen. »Nenn mich nicht Dee Dee. Ich hab’s dir schon mal gesagt.« Ich hielt die Pizzasoße zwischen uns. »Stacy holt mich hier ab, wenn Feierabend ist. Wenn sie dich sieht, erzählt sie es Darren, und der macht dich fertig.«
    »Ich hab ja so was von Angst.«
    Michael erschien draußen vor dem Kühlraum.
    |87| »Tommy? Du solltest eigentlich an der Kasse sein! Irgendwann heute noch, hoffentlich.« Tommy grinste und ging nach draußen. »Belästigt er dich?«, fragte Michael. »Sag mir, ob er dich belästigt hat.«
    »Nein«, antwortete ich. »Er ist ein niemand.«
    ***
    Ich setzte mich in meinem Zimmer auf den Boden, den Rücken gegen die Tür, damit niemand rein konnte. Die Kladde lag offen auf meinem Schoß, mein Stift war in der Schwebe über dem Papier.
    Tommy drängt sich an mich.
    Tommy fixiert meine Augen im Spiegel, bekennt sich.
    Tommy im Kühlraum. Seine Stimme, seine Augen, seine Narbe, seine Arme. Mein Körper, sein Körper.
    Dies ist das letzte Mal, dachte das Mädchen, dass ich mir all das in Erinnerung rufe.
    Wenn es von Neuem auf es zutreiben sollte, dann würde es davonpaddeln.
    Zu jemandem gehören, zu etwas.
    Die Art, wie mein Dad mich früher ansah; die Art, wie er mich jetzt ansah.
    Wenn das Erinnern gelungen war, konnte das Vergessen beginnen.

[ Menü ]
    |88| 5
    Lee rief mich am nächsten Tag an.
    Ich hielt es für ein Zeichen, für meine Chance, ihr alles von Tommy zu erzählen, dass er wieder aufgetaucht war und was das alles bedeutete oder bedeuten könnte. Aber Lee fragte mich nicht nach meinem Job oder meinem Tag oder nach irgendwas aus meinem Leben. Sie rückte unverwandt mit der Sprache raus: »Hey, ich brauch deinen Rat.«
    »Okay. Was ist los?«
    »Ich kann im Moment nicht reden; meine Mom liegt hier irgendwo auf der Lauer. Wann musst du zur Arbeit? Können wir uns treffen?«
    Wir vereinbarten, uns eine Stunde vor meinem Schichtbeginn im
Picasso
zu treffen. Ich hätte natürlich ihr gleich sagen sollen, dass Tommy dort arbeitete, aber die Worte wollten nicht aus mir heraus. Was wäre, wenn sie anders über diese Geschichte dachte, wenn sie ihn leibhaftig vor sich sah? Vielleicht stellte sie sich ihn als einen üblen Macker oder so vor. Und wenn sie dann die Wirklichkeit, diesen schlaksigen weißen Trashtypen, sah, würde sie sich alles anders überlegen, ihre Meinung über mich ändern?!
    Als ich aufgelegt hatte, ging ich in die Küche und |89| holte mir ein Malzbier. Mom war gerade von der Arbeit nach Hause gekommen und mit Dad hinten im Garten. Ich konnte sie durch das offene Fenster sehen und hören.
    »Wann wollte sie mir das denn sagen?«, fragte Dad. Er putzte seine Autowerkzeuge. »Wann bitte erfahre denn
ich
davon, was hier vor sich geht?«
    »Es ist ein Job, Ray. Was
Gutes

    »Sich nachts in einem Einkaufszentrum rumtreiben? Gut vielleicht, um sich Ärger einzuhandeln.«
    Also redete er auch dann auf diese Weise über mich, wenn er dachte, ich könnte ihn nicht hören. Es war nicht nur etwas, das er tat, wenn ich anwesend war, um mir ein Scheißgefühl zu verschaffen, mich zu bestrafen oder was auch immer.
    »Ich bin sicher, dass sie vorhatte, es zu erwähnen.«
    »Zu erwähnen?«
Er warf einen Schraubenschlüssel ins Gras, wo er gegen ein anderes Werkzeug klirrte. »So, wie du
erwähnt
hast, dass Stacy schwanger sei, drei Wochen nachdem Darren es dir gesagt hatte? Hab ich nicht das Recht zu erfahren, was in meinem Haus vor sich geht?«
    Mach dir keine Sorgen, Dad. Wir werden noch früh genug aus deinem Leben verschwinden.
    »Vielleicht solltest du sie mehr fragen, mehr mit ihnen reden, dann würden sie dir auch mehr erzählen.« Mom redete schnell und nagte an ihren Fingernägeln. Ich wollte raus aus der Küche, wollte nicht hören, was mein Dad sonst noch über mich sagen würde. Aber ich rührte mich nicht vom Fleck.
    |90| »Ich frag doch«, meinte Dad.
    Mom seufzte. »Du verhörst.«
    Dad warf noch ein Werkzeug auf den Haufen. »Das würdest du auch, wenn du gesehen hättest, was ich gesehen habe.«
    »Ray, das ist schon so lange her.«
    »Für mich nicht.« Dad wandte sich dem Haus zu.
    Ich huschte rasch in den Flur, damit er mich nicht

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