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Zicke

Zicke

Titel: Zicke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Zarr
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sich auf einen Tisch fürs Verkaufspersonal. »Natürlich habe ich mich das gefragt. Typen fragen sich das bei
jedem
Mädchen. Auch bei ihren Lehrerinnen.«
    »Iiieeh.«
    »Okay, nicht bei allen Lehrerinnen. Ich meine nur, die Neugier ist das eine, und dann ist da noch das, was du tatsächlich ernsthaft zu tun überlegst.«
    »Und bei mir ist es nur … mäßige Neugier?«
    »›Mäßige‹ habe ich nicht gesagt.«
    »Aber du würdest es nie wirklich ernsthaft in Betracht ziehen?«
    »Also,
im Moment
jedenfalls nicht.«
    »Warum nicht?« Er warf mir einen verlegenen Blick zu und ich stolperte über meine eigenen Worte. »Ich … also, natürlich, da ist
Lee
. Ich meine, ich weiß das. Ich wollte nicht sagen …«
    »Wir verpassen noch den Bus«, sagte er knapp.
    Wir gingen durch
Macy’s
nach draußen und warteten stumm. Der Bus kam und er war voller als auf der Hinfahrt, also teilten wir uns einen Zweiersitz. Ich war starr vor Scham wegen dessen, was ich ihn gefragt hatte.
    »Wir haben nicht mal Geld ausgegeben«, versuchte ich ein Gespräch und hoffte dabei, normaler zu klingen, als ich mich fühlte.
    |177| »Shit«, meinte Jason. Ich spürte, dass er mitspielte, ein wenig zu angestrengt so tat, als ob alles in Ordnung wäre.
    Die Leute würden uns wahrscheinlich für ein Pärchen halten, und wenn das tatsächlich so wäre, würde es vielleicht alles ausradieren, was mit Tommy passiert war; dann wäre ich eben ein gewöhnliches Highschool-Mädchen mit einem Freund.
    »Ich will nicht nach Hause«, murmelte ich und starrte hinaus auf die verputzten Häuser und die Autos auf der Straße, die an uns vorbeirasten. Dichter weißer Nebel wallte über die Hügel und senkte sich genau nach Stundenplan über Pacifica, als ob es einfach nicht richtig wäre, wenn die Sonne volle acht Stunden lang auf unsere blöde kleine Stadt schiene.
    »Du kannst mitkommen zu mir, wenn du magst.« Vielleicht hörte Jason sich zögerlich an oder vielleicht war ich einfach nur paranoid. »Meine Mom könnte dich zur Arbeit fahren, wenn sie rechtzeitig nach Hause kommt.«
    Wir gingen von der Bushaltestelle zu seinem Haus; der Nebel war zunächst eine willkommene Abkühlung, aber als wir ins Haus kamen, waren meine Arme rosa von der Kälte. Jason ging direkt in die Küche. »Ich verhungere.« Wir hatten überhaupt nicht zu Mittag gegessen. Ich sah zu, wie meine Füße über den pfirsichfarbenen, abgewetzten Teppich auf dem Pfad zwischen Tür und Küche liefen.
    Jason machte eine Packung Makkaroni mit Käse heiß. Danach aßen wir noch ein paar Brownies vor |178| dem Fernseher in seinem Zimmer. Alles schien wieder normal zu sein – als ob das Gespräch bei
Macy’s
nie stattgefunden hätte.
    Jasons schwarzes Lieblings-Sweatshirt hing über der Stuhllehne. Ich schielte hinüber und stellte mir vor, dass es warm und weich nach Jason und Lee roch: nach diesem zitronigen Geruch von ihm und ihrem billigen Shampoo.
    »Ist dir kalt?«, fragte er. »Mir ist irgendwie kalt.«
    »Oh.«
    Er stöberte in seinem Schrank, wandte dabei kaum den Blick vom Fernseher und reichte mir ein sauberes Flanellhemd, das nur nach Waschmittel roch. Ich zog es über mein Tank Top.
    Wenn ich nur noch ein wenig Hirn im Kopf gehabt hätte, dann hätte ich mich einfach entspannt; es war gemütlich hier in Jasons Zimmer, wo ich überhaupt am liebsten war. Ich hätte glücklich sein sollen mit dem, was ich hatte: einen großartigen Freund, einen Ort, wo ich sein wollte, einem warmen Hemd. Ich hätte für immer und ewig in diesem Gefühl schwelgen können (wenigstens noch eine Stunde), vielleicht noch ein paar Brownies essen können, um auf einer perfekten Wolke gemischt aus Zucker, Glotze und Jason davonzuschweben. Stattdessen fragte ich: »Wenn diese Geschichte mit Tommy nie passiert wäre, hättest du mich dann gefragt, ob ich mit dir ausgehen will?«
    Er lächelte schief und sah mich lange Zeit an, ehe er sagte: »Darauf gibt’s keine gute Antwort, oder?«
    |179| Ich starrte zurück, nervös und aufgekratzt, als ob wer weiß was passieren könnte. »Stimmt.«
    Wir blickten uns weiter an, bis sein Telefon klingelte. Ich zuckte zusammen; er stürzte sich darauf. »Hallo? Hey?« Ich sah, wie seine Miene sich veränderte und ein sanftes, glückliches Lächeln auf seinem Gesicht erschien. »Wie hast du es geschafft, ein Telefon zu finden?«
    Ich wusste, es war Lee. Mein Magen zog sich zusammen. Ich stand auf und ging zur Tür.
    »Wo willst du hin?«, rief Jason mir

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