Ziegelgold - Das Geheimnis von Kleiborg (German Edition)
der Bäckerlehrling mit einem gellenden Schrei das Fernglas fallen. „Aaaaaah, mein Auge. Aaah. Verdammt, Alex. Ich bin blind.“
Nils ließ sich auf die Knie fallen und sein Hund sah ihn mit einem ängstlichen Winseln an. „Ich kann nichts mehr sehen“, brüllte er vor Schmerz. Alex, der immer noch in seiner Deckung verharrte, sah, wie Dr. Eyken nun vor dem Haus stand. „Geschieht dir nur recht, du Spanner. Verzieh dich und lass dich hier nie mehr sehen, du Penner“, brüllte er wutentbrannt herüber. Dann zündete er sich eine Zigarette an und ging wieder ins Haus zurück. Alex nahm das Fernglas, das Nils fallen gelassen hatte aus dem Gras. Nun dämmerte ihm, was passiert ist. Der falsche Doktor hatte mit einem Laserpointer auf das Fernglas gezielt. Das Objektiv hatte die Wirkung des gebündelten Lichts noch verstärkt. Und das ging im wahrsten Sinne des Wortes ins Auge.
Geschieht dir recht, dachte Alex nicht ohne Schadenfreude, als er den vor Schmerz jammernden Jungen ansah. Als der falsche Doktor die Haustür schloss, sprang er auf und zog Nils ohne jede Rücksichtnahme am Arm hoch. Dann rannte er mit ihm zur schützenden Brombeerhecke. Dort ließen sich die beiden ins Gras fallen. Der Hund leckte seinem Herrchen glücklich durchs Gesicht, als wollte er sagen; das ist ja noch mal gut gegangen.
„ Lass mal sehen“, sagte Alex und betrachtete Nils Auge. Es war stark gerötet und die Pupille war verkleinert. Nils ließ sich ohne Widerrede untersuchen. „Verdammt, tut das weh. Ich sehe nur rot.“ Er hielt sich die Hand vor das schmerzende Auge. „An deiner Stelle würde ich zum Augenarzt gehen“, meinte Alex. „Spinnst du? Der schreibt mich dann noch krank. Ich habe schon genug Stress mit dem Meister“, entgegnete Nils heftig und stand schwankend auf. Ohne weitere Worte liefen die beiden Jungen zu der Stelle, wo Alex sein Rad versteckt hatte. Er wollte gerade noch etwas zu Nils sagen, als ein kurzes Signal den Eingang einer SMS meldete. Er nahm sein Handy aus der Jackentasche und sah nach. Die Meldung war von Jens Sakuth und sie war sehr kurz: Koffer gefunden.
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22
Mittwoch 17:11 Uhr
Die Wolken verdunkelten sich weiter und es fing an zu regnen. Alex hatte sich entschlossen, zunächst Nils zu Hause abzuliefern, der noch immer laut jammerte. Vielleicht lässt er uns ja nun in Zukunft in Ruhe, dachte Alex. Der Hund trottete neben den beiden her. Als sie bei Nils' Elternhaus ankamen, ging schon die Tür auf. „Eh, wo bleibst du denn“, brüllte ein fetter, unrasierter Mann, der mit einer alten Jogginghose und einem weißem fleckigen Unterhemd bekleidet war, die Jungen an. Unsicher blickte Nils zu Alex. „Du solltest nur mit dem Köter raus und Bier holen“, schrie der Fettwanst. „Mann, ist das schon zu viel verlangt? Sieh zu, dass du an Land kommst, aber zackig!“ Dann knallte die Haustür zu, dass die Hausnummer wackelte. Nils sah peinlich berührt zu Alex. „So ist mein Vater nur, wenn er getrunken hat. Eigentlich ist er ja ganz in Ordnung.“ Alex wurde langsam klar, warum Nils sich immer so merkwürdig zu anderen Kindern und Jugendlichen verhalten hatte. Wer weiß, wie ich mich in so einem Elternhaus entwickelt hätte, dachte er betrübt. „Danke“, murmelte Nils leise und ging langsam ins Haus, wo sein Vater hinter der Gardine die Jungen argwöhnisch beobachtete.
Alex nahm sein Handy aus der Tasche und setzte sich auf das Oberrohr seines Mountainbikes. Der Regen wurde langsam stärker. Dann wählte er die Nummer von Jens Sakuth. Der ging sofort heran und hatte seinen Anruf schon erwartet. Er berichtete, dass er den Koffer gefunden hätte und nun dabei wäre, die Unterlagen durchzusehen. Es sind auch einige Schriftstücke dabei, die die damalige Polizeiarbeit seines Großvaters betrafen. Die meisten waren handschriftliche Abschriften, Vernehmungsprotokolle, Aktenvermerke und Schriftverkehr mit anderen Behörden. Jens Sakuth vermutete, dass sein Großvater und sein älterer Kollege Willms die ausdrückliche Anweisung bekommen hatten, diese Dinge sofort zu vernichten. Anscheinend kam es daraufhin zu einem heftigen Streit zwischen ihm und seinem Kollegen. Jedenfalls hatte sein Großvater die Dokumente entgegen der klaren Anweisung nicht vernichtet, sondern versteckt. Der Tonfall von Jens Sakuth war schwermütig. Das Aufbewahren dieser Unterlagen hätte seinem Großvater damals das Leben kosten können, sagte er leise.
„ Kann ich die Dokumente sehen?“, fragte Alex
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