Ziel erfasst
war.
30
J ack Ryan jr. atmete tief und langsam aus. Ein kleiner Teil seiner Anspannung verschwand.
Er wählte die Nummer. Mit jedem Rufzeichen hoffte er halb und halb, dass am anderen Ende niemand antworten würde. Sein Blutdruck stieg immer weiter nach oben, und seine Handflächen schwitzten.
Er hatte die Telefonnummer von Mary Pat Foley bekommen. Er hatte ihr in den letzten paar Tagen mehrere E-Mails geschrieben, sie jedoch jedes Mal wieder gelöscht, bevor er die ominöse »Versenden«-Taste gedrückt hatte. Beim vierten oder fünften Mal hatte er schließlich Mary Pat eine knappe, aber freundliche Botschaft geschickt, in der er ihr für die Führung durch ihr Büro dankte und sich, oh, im Übrigen, fragte, ob sie ihm nicht vielleicht Melanie Krafts Telefonnummer übermitteln könnte.
Er stöhnte, als er seine Botschaft noch einmal durchlas, er kam sich ein wenig lächerlich vor, drückte aber schließlich doch auf die »Versenden«-Taste. Bereits zwanzig Minuten später lag eine freundliche Nachricht von Mary Pat in seiner E-Mail-Box. Sie schrieb, sie habe das Sushi genossen und ihre Unterhaltung ausgesprochen interessant gefunden. Sie hoffe, sie könne bald etwas Neues zu den angesprochenen Themen beitragen. Am Ende stand dann ein einfaches: »Hier, bitte sehr.« Es folgten die Vorwahl 703 für Alexandria, Virginia, und eine siebenstellige Nummer.
»Ja!«, rief er triumphierend durch den Raum.
Am Schreibtisch hinter ihm wirbelte Tony Wills herum und wartete auf eine Erklärung.
»Entschuldigung«, war alles, was Jack sagte.
Aber das war gestern gewesen. Jacks ursprüngliche Begeisterung war einem schlimmen Bauchkribbeln gewichen, gegen das Jack jetzt ankämpfte, während Melanies Telefon weiter klingelte.
Scheiße, dachte Jack. Es war ja nicht gerade ein Feuergefecht im Zentrum von Paris, das ihm hier bevorstand. Warum war er also so nervös?
Ein Klickton zeigte an, dass am anderen Ende jemand abgehoben hatte. Scheiße. Okay, Jack. Bleib cool.
»Melanie Kraft.«
»Hallo, Melanie. Hier ist Jack Ryan.«
Eine kurze Pause. »Es ist mir eine Ehre, Mr. President.«
»Nein … nicht … Hier ist Jack jr. Wir wurden uns neulich vorgestellt.«
»Ich habe nur Spaß gemacht. Hi, Jack.«
»Oh, jetzt haben Sie mich aber drangekriegt. Wie geht es Ihnen?«
»Ausgezeichnet. Und Ihnen?«
Das Gespräch schien im Banalen zu verebben. »Mir geht’s gut.«
»Prima.«
Jack sagte gar nichts mehr.
»Kann ich Ihnen mit irgendetwas helfen?«
»Ähm.« Reiß dich zusammen, Jack. »Ja. Tatsächlich hat mir ein kleiner Vogel zugezwitschert, dass Sie in Alexandria wohnen.«
»Ist dieser kleine Vogel zufällig die stellvertretende Direktorin des National Counterterrorism Center?«
»Das könnte durchaus sein.«
»Habe ich es mir doch gedacht.«
Jack hörte in Melanies Stimme ein Lächeln, und er wusste sofort, dass alles glattlaufen würde.
»Wie auch immer, das brachte mich auf einen Gedanken … Da gibt es ein Restaurant drunten in der King Street. Das Vermillion. Sie haben das beste Steak, das ich je gegessen habe. Ich habe mich gefragt, ob ich Sie am Samstag nicht dorthin zum Dinner ausführen könnte.«
»Das klingt großartig. Werden Sie allein sein, oder kommen Ihre Secret-Service-Aufpasser auch mit?«
»Ich stehe nicht mehr unter Personenschutz.«
»Okay, ich wollte nur sichergehen.«
Sie nahm ihn ein wenig auf den Arm, und er mochte es sogar. »Sie müssen allerdings damit rechnen, dass ich Sie vor unserer Verabredung durch die Sicherheitstruppe meines Vaters genau überprüfen lasse.«
Sie lachte. »Machen Sie nur. Es kann nicht schlimmer sein als der TS-SCI-Prozess.« Sie bezog sich auf die CIA-Überprüfung, die viele Monate dauerte und in deren Verlauf jeder, von den Nachbarn bis zu den Grundschullehrern des Kandidaten, befragt wurde.
»Ich hole Sie um sieben ab.«
»Sieben ist in Ordnung. Wir könnten von meiner Wohnung zu Fuß dorthin gehen.«
»Großartig. Also, bis dann.«
»Ich freue mich schon darauf«, sagte Melanie.
Jack legte den Hörer auf, stand vom Schreibtisch auf und lächelte Tony an.
Paul Laska stand am Fenster der Königssuite des Hotels Mandarin Oriental in London und schaute auf den Hyde Park hinunter. Er war allein angereist. Nur sein persönlicher Assistent Stuart, seine Sekretärin Carmela, sein Ernährungsberater Luc und seine zwei tschechischstämmigen Leibwächter begleiteten ihn.
Das bedeutete eben »allein« für einen solch hochrangigen, exponierten
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