Ziel erfasst
Ihre eigene …« Er hörte zu sprechen auf und beobachtete, wie Clark die Pistole ins Holster steckte.
Dann trat der Amerikaner einen Schritt vor, packte Ardo Ruul am Arm, drehte ihn um und stieß ihn hart gegen die Wand.
»Ich mache jetzt etwas, was wirklich wehtun wird. Sie werden laut aufschreien wollen, aber ich verspreche Ihnen, wenn Sie nur einen einzigen Laut äußern, werde ich mir auch noch Ihren anderen Arm vornehmen.«
»Was? Nein!«
Clark drehte Ruuls linken Arm heftig nach hinten und schlug dann mit dem Ellbogen auf die überdehnte Ellbogenspitze des Esten.
Ardo Ruul begann zu schreien, aber Clark packte ihn an den Haaren und schlug sein Gesicht gegen die Wand.
Dann hielt John ihm seinen Mund dicht an die Ohren und sagte: »Noch ein bisschen mehr Druck, und Ihr Gelenk springt heraus. Sie können es immer noch retten, wenn Sie nicht schreien.«
»Ich … ich werde Ihnen erzählen, wer mich zu Manfred Kromm geschickt hat«, sagte Ruul und keuchte. Clark lockerte etwas den Druck. »Ein Russe, er heißt Kowalenko. Er ist vom FSB oder SWR, ich weiß nicht, von welchem Geheimdienst. Ich sollte aus Kromm herauskriegen, was dieser über Sie damals in Berlin wusste.«
»Warum?«
Ardo versagten die Knie, und er rutschte die Wand hinunter auf den Boden. Clark half ihm auf. Jetzt saß er mit blassem Gesicht und vor Schmerz weit geöffneten Augen da und hielt sich den Ellenbogen.
» Warum, Ruul?«
»Er hat mir nicht gesagt, warum.«
»Wie kann ich ihn finden?«
»Wie soll ich das wissen? Sein Name ist Kowalenko. Er ist ein russischer Agent. Er hat mir Geld gezahlt. Das ist alles, was ich weiß.«
Von unten waren jetzt ein Pistolenschuss und dann das Schreien von Männern und Frauen zu hören.
Clark war blitzschnell am Fenster.
»Wohin gehen Sie?«
Clark machte das Fenster auf und schaute hinaus. Dann drehte er sich nach dem estnischen Gangster um. »Bevor sie Sie töten, vergessen Sie nicht, ihnen zu erzählen, dass ich mir diesen Kowalenko vorknöpfen werde.«
Ardo Ruul zog sich mit seinem einen guten Arm über die Ecke seines Schreibtischs auf die Füße. »Bleib da, Amerikaner. Wir bekämpfen sie gemeinsam!«
Clark kletterte auf die Feuerleiter hinaus. »Die Jungs dort unten sind Ihr Problem. Ich muss meine eigenen Probleme lösen.« Damit verschwand er in der kalten Dunkelheit.
Beide Männer, der Amerikaner und der Este, waren etwa gleich alt. Sie hatten ungefähr dieselbe Größe. Auch ihr Gewicht lag wohl nicht mehr als vier Kilogramm auseinander. Beide trugen ihr grau meliertes Haar kurz geschnitten. Beide hatten hagere Gesichter, die vom Leben gehärtet waren und deren Falten ihr Alter zeigten.
Aber damit endeten die Ähnlichkeiten. Der Este war ein Trunkenbold, ein Penner, der auf dem kalten Beton lag und seinen Kopf gegen die Wand lehnte. Neben ihm stand eine durchsichtige Plastikkiste, die seine gesamten irdischen Besitztümer enthielt.
Clark hatte die gleiche Statur und das gleiche Alter, aber er war nicht derselbe Mann.
Er stand schon eine Weile in dieser Eisenbahnunterführung und betrachtete den Penner. John Clark hatte kein Mitleid mit diesem Kerl, aber nicht weil er kaltherzig gewesen wäre. Nein, weil er einen Job zu erledigen hatte. Dabei konnte er sich keine Sentimentalitäten leisten.
Er ging zu dem Mann hinüber, kniete sich neben ihn und sagte zu ihm auf russisch: »Fünfzig Euro für deine Klamotten.«
Der Este schielte ihn mit seinen blutunterlaufenen Augen an. »Vabandust?« Verzeihung?
»Okay, mein Freund. Du bist ein harter Verhandler. Du bekommst meine Kleidung. Und ich gebe dir hundert Euro.« Der betrunkene Obdachlose mochte vielleicht anfangs nicht ganz begriffen haben, was dieser Fremde von ihm wollte, dafür wurde es ihm jetzt umso klarer. Es wurde ihm auch klar, dass dies keine Bitte war.
Es war eine Forderung, die er nicht ablehnen konnte.
Fünf Minuten später torkelte Clark von einem Schatten zum andern in den Hauptbahnhof in der Tallinner Altstadt hinein. Er würde den nächsten Zug nach Moskau nehmen.
61
J ack Ryan jr. studierte in seiner Großraum-Box bei Hendley Associates den ganzen Morgen die Berichte, die Melanie Kraft für das National Counterterrorism Center erstellt hatte. Melanies Analysen befassten sich mit der jüngsten Anschlagswelle in Indien. Sie vermutete, dass die verschiedenen Zellen vom gleichen operativen Kommandeur angeführt wurden.
Ryan schämte sich etwas, sich die Arbeit seiner neuen Freundin ohne deren Wissen
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