Ziel erfasst
er hatte eher das ungute Gefühl, vom Regen in die Traufe zu geraten.
Sie verbanden ihm die Augen. Sie waren eine Stunde unterwegs. In der ganzen Zeit sagte niemand ein einziges Wort.
Der Lieferwagen hielt an. Er stieg mit immer noch verbundenen Augen aus. Die Luft war schneidend kalt, und er spürte dicke Schneeflocken auf Lippen und Bart.
Sie führten ihn in ein Gebäude, das wie ein Lagerhaus roch, und setzten ihn auf einen Stuhl. Erneut wurden seine Hände und Füße gefesselt. Sie nahmen ihm die Augenbinde ab, und er blinzelte einen Moment lang in das helle Licht, bevor er die Augen schließlich ganz öffnete.
Vor ihm standen drei Männer. Zwei trugen Jeans und Trainingsjacken. Ihre Köpfe waren kahl geschoren und ihre breiten slawischen Gesichter schauten ihn kalt und gefühllos an.
Der dritte Mann trug dagegen Hosen mit Bügelfalten und eine schwarze Skijacke, von der Clark annahm, dass sie mehrere Hundert Dollar gekostet hatte.
Etwas außerhalb des direkten Lichtscheins stand ein Tisch, auf dem etliche Werkzeuge, chirurgische Instrumente, eine Klebebandrolle, Kabel und noch ein paar andere Gegenstände lagen, die John nicht ausmachen konnte.
Plötzlich überfiel den Amerikaner die nackte Angst, und sein Magen zog sich zusammen.
Dieses Mal würde er nicht ein paar mäßig begabten französischen Privatdetektiven als Sandsack dienen. Nein, das hier würde wirklich hässlich werden.
Aus den anderen Teilen des Lagerhauses waren ab und zu Geräusche zu hören. Aus den schweren Stiefelschritten und dem gelegentlichen Klirren, wenn Gewehre an ihre Gurte stießen, schloss Clark, dass es sich um bewaffnete Wachen handelte.
Der Mann in der Skijacke trat jetzt ins Licht. Er sprach ausgezeichnet englisch. »Mein Vater hat mir erzählt, dass Sie nach mir suchen.«
»Walentin«, rief John überrascht. Nach dem wenigen, was er von ihm wusste, hätte er es nie für möglich gehalten, ihm einmal in einer Folterkammer zu begegnen. »Ich sagte ihm, dass ich gerne mit Ihnen reden würde.« Clark schaute zu dem Tisch und den Männern mit dem kantigen Kinn hinüber. »An so etwas hatte ich dabei nicht unbedingt gedacht.«
Der Russe zuckte nur die Achseln. »Sie und ich sind nicht freiwillig hier, Mr. Clark. Wenn ich die Wahl hätte, wäre ich irgendwo anders, aber Sie bereiten meiner Regierung große Probleme, und sie hat mich ausgewählt, diese Probleme zu lösen. Der Kreml hat mir freie Hand gegeben. Ich kann mit Ihnen tun und lassen, was ich will.«
»Das klingt wie ein Job für Ihren Vater.«
Walentin lächelte freudlos. »Das ist weder sein Job noch sein Problem. Ich muss alles über Ihren gegenwärtigen Arbeitgeber wissen. Ich muss wissen, mit wem Sie in Moskau gesprochen haben. Wir haben das Handy gefunden, das Sie angerufen haben, aber es lag bereits auf einer Müllkippe, deshalb konnten wir nichts mehr mit ihm anfangen.«
Clark stieß einen heimlichen Seufzer der Erleichterung aus.
»Die Informationen, die ich brauche, kann ich von Ihnen auf die unterschiedlichste Weise bekommen«, fuhr Walentin fort. »Es gibt viele humane Möglichkeiten. Aber wir haben nicht viel Zeit. Wenn Sie sich weigern sollten, werden wir zu weniger humanen Mitteln greifen müssen.«
Clark schätzte den jungen Mann sekundenschnell ab. Kowalenko fühlte sich in dieser Rolle unwohl. Er war in seinem Element, wenn es darum ging, dem künftigen US-Präsidenten mit einem politischen Skandal zu schaden, indem er Laskas Informationen durchsickern ließ. Aber hier in Gesellschaft einiger Schläger in einem eiskalten Moskauer Lagerhaus zu stehen und einen Gefangenen durch Folter zum Reden zu bringen … das war bestimmt nicht seine Welt.
Clark durfte den Russen die Existenz des Campus auf keinen Fall offenbaren. Die Franzosen hätten ihn nie so weit bekommen, selbst wenn sie ihn am Ende totgeschlagen hätten, aber die Russen verfügten über ganz andere Mittel. Sie besaßen angeblich eine Droge namens SP-117, die weit besser als alle anderen Wahrheitsseren sein sollte.
Clark wusste über diese Droge nur, was er im Internet darüber gelesen hatte. Der Ex-CIA-Agent betrachtete die Russen seit Jahren nicht mehr als Bedrohung und hatte sich deswegen in letzter Zeit nicht näher mit ihren Werkzeugen und Methoden befasst.
Aber warum war dann diese Droge nicht hier? Warum gab es hier nur Folterwerkzeuge und finster dreinschauende Muskelprotze? Wo waren die Mediziner und die FSB-Psychologen, die normalerweise eine solche Sache erledigten?
Clark
Weitere Kostenlose Bücher