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Zielstern Beteigeuze

Zielstern Beteigeuze

Titel: Zielstern Beteigeuze Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl-Heinz Tuschel
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übereinstimmend, daß sie sich plötzlich unbeschreiblich wohl fühlten, in solchem Maße, daß sie nicht nur selbst sich zu recken und zu dehnen vermeinten, sondern daß sich das gleiche auf die Fähre übertrug: Ihre Wände rückten sacht auseinander, entfernten sich, verschwammen, verschwanden schließlich, lösten sich auf, aber ohne daß die beiden Angst oder auch nur Überraschung empfanden - so sehr waren sie angefüllt von diesem kräftigen, kräftigenden Glücksgefühl.
    Und dieses Gefühl schien noch wachsen zu wollen, es hatte sie schon ganz angefüllt und drängte nun aus ihnen heraus, drängte sie, es durch Handeln zu entäußern, damit es von innen nachströmen konnte.
    Sie wußten merkwürdigerweise zugleich, daß sie in der Fähre saßen und die Verdopplungszone durchflogen, aber das war eine Tatsache, die sie überhaupt nicht berührte, die weder zu Gedanken noch zu Gefühlen Anlaß gab, sie war völlig in den Hintergrund jedes Interesses gerückt, das war gewissermaßen so unwichtig, daß es sich nicht einmal lohnte, es zu vergessen. Und sie wußten auch, wenn sie jetzt zu handeln begannen, dann handelten sie nicht wirklich, sondern nur in ihrer Vorstellung, aber sie fühlten diese Vorstellung kräftiger als die Wirklichkeit.
    Ja, in ihrer Vorstellung hatten sie zu arbeiten begonnen, beide miteinander, wie sie es gewöhnt waren, oder genauer, sie sahen sich arbeiten, an der Wiederherstellung der zerstörten Basis, nur daß sie jetzt die Freude reibungsloser Zusammenarbeit viel ungestörter und daher wohl farbiger erlebten. Und nicht nur ihre Freude, nein, es mischte sich darunter, oder es strömte hinzu die Freude, der Stolz anderer auf deren Arbeit, das schöpferische Gefühl von Leuten, die sie gar nicht persönlich kannten: von den Kontrolleuren etwa, die die Strahler justiert hatten, von den Herstellern der Keime - Raumschiffausrüstungen waren ja keine Massenware, da hatten immer noch Menschen ihre Hand im Spiel, selbst wenn man die wenigsten davon kannte. Doch auch berühmte Leute kamen dazu, Wissenschaftler, die hundert Jahre zuvor die Keimtechnik entwickelt hatten; und auch die waren nicht ohne Vorgänger, deren Arbeit hier mitgefühlt sein wollte...
    Es wurde ihnen nicht bewußt, wie sonderbar das alles war, und sie berichteten es später nur verworren und äußerst umständlich. Aber sie konnten es berichten, und daß es sich schwer in Worte kleiden ließ, lag wohl mehr daran, daß es die treffenden Worte nicht gab. Man kann nach links oder rechts sehen oder horchen, aber kann man auch nach links oder rechts fühlen? Nicht tasten, sondern jenseits der Sinneswahrnehmungen Eindrücke suchen und erhalten, die die gleiche beweiskräftige Unmittelbarkeit optischer und akustischer Wahrnehmungen haben? So umständlich - und trotzdem die Sache nicht ganz erfassend - beschrieben sie den Vorgang später. Während er sich aber abspielte, erschien er ihnen ganz natürlich und auch nicht etwa wie ein Traum, denn sie wußten ja, wo sie waren.
    Sie spürten auch, wenn sich etwas änderte, obwohl solche Änderungen nicht abrupt auftraten, sondern eher als Konsequenz des Vorangegangenen. So spielten jetzt sinnliche Wahrnehmungen nur noch eine untergeordnete Rolle und erloschen bald ganz. Der Raum um sie her jedoch, der sich anfangs ausgedehnt hatte, wie sich ein Gesichtsfeld ausdehnt, wurde jetzt von der Kraft ihrer Gefühle erweitert. Die Kette von Personen, deren Gefühle sie in sich spürten, wurde immer länger, vermittelt jeweils durch die Arbeit, die sie verband, und diese Gefühle bildeten den eigentlichen Raum, in dem sie sich empfanden, und der dehnte sich aus, die Kette wuchs und wuchs, bildete Seitenketten, die sich wiederum verzweigten, und damit wuchs das schöpferische Wohlbefinden, erfüllte einen Kugelraum, der sich immer mehr vergrößerte. Und die beiden staunten überhaupt nicht, wie präzise sie das alles fühlten - zur selben Zeit jede einzelne Stelle, an der die Kette sich weiter verzweigte, neue Personen ins Mitfühlen eintraten, wie auch die Bewegung des Ganzen.
    Sie konnten nicht darüber nachdenken, wie sie dieses Ganze bezeichnen sollten. Die Welt? Die Menschheit? Denn viel wichtiger war, was sich jetzt in ihr Bewußtsein hob, etwas Selbstverständliches sonst und selbstverständlich wohl auch hier, obwohl in diesem Ausmaß neu und überwältigend: Es war der Rhythmus dieses Prozesses der kollektiven Tätigkeit. Sie hat immer einen Rhythmus, er entsteht aus den arbeitsbedingten

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