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Zielstern Beteigeuze

Zielstern Beteigeuze

Titel: Zielstern Beteigeuze Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl-Heinz Tuschel
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Störung. Und nicht die erste. Die abgebrochenen Bäume hätten uns eigentlich schon vorher darauf bringen müssen, ein Windbruch war das nicht, keine Entwurzelung, keine bevorzugte Fallrichtung. Warum sind wir nicht daraufgekommen? Ich will dir sagen, warum: weil wir gewöhnt sind, die Schwerkraft auf einem Planeten als gegebene, unveränderliche Größe zu denken. Und selbst als wir sahen, daß es zwei Zonen mit verschiedener Gravitation gibt, haben wir unsere Denkschablone noch immer nicht abgelegt: Da haben wir eben die Schwerkraft in jeder dieser Zonen für sich als stabil angenommen. So weit bin ich gekommen. Ja, eigentlich bin ich sogar froh darüber, ich meine theoretisch. Es zeigt sich doch, daß das System als Ganzes dahin tendiert, in den Normalzustand zurückzukehren. Die Frage ist jetzt nur noch, wie es in den Zustand eines gespaltenen Gravitationsniveaus geraten ist.“ Woleg hörte, wie mehrere seiner Gefährten mit der Zunge schnalzten - die übliche Beifallskundgebung bei Konferenzschaltungen, die das Händeklatschen ersetzte.
    „Es gibt ja auch natürliche Kernreaktoren, und bis man die entdeckte, hat sie jeder für unmöglich gehalten“, sagte Vienna.
    „Warum soll es also nicht natürliche Gravigeneratoren geben“, setzte Kerala den Satz fort.
    „Ihr scheint euch alle ziemlich wohl zu fühlen“, sagte Woleg. „Habt ihr eine Vorstellung, was da an Arbeit auf uns zukommt?“
    „Ich glaube, ich werde wieder leichter“, meldete sich Hirosh. Auch Elber ließ sich willig aufs Praktische lenken. „Ich schätze“, sagte er, „daß dann noch einmal eine Flutwelle und eine Mütze voll Wind kommen.“
    „Und erst danach steigen wir aus“, erklärte Woleg. „Mal sehen, was stehengeblieben ist. Und bis dahin - Hirosh, hast du nicht auch für diese Situationen einen passenden Witz?“
    „Laß mal sehen“, sagte Hirosh nachdenklich. „Bisher habe ich Elber angeregt mit meinen Witzen, jetzt lasse ich mich mal von Elber
    anregen, von dem, was er vorhin theoretisiert hat. Also das war in
    jenen alten Zeiten, als die Menschen noch ihre Nahrung hauptsächlich in der freien Natur erzeugten. Da kommt ein Mann zu
    einer Entenfarm und kauft hundert Entenküken. Am nächsten Tag
    kommt er wieder und kauft noch einmal hundert, am dritten Tag erneut. Fragt der Mann von der Entenfarm: ‘Sie wollen wohl auch
    ‘ne Entenfarm aufmachen?’ - ‘Ja.’ - ‘Was haben Sie denn bisher gemacht?’ - ‘Kartoffeln angebaut.’ - ‘Ach, und nun klappt es nicht so recht mit den Küken, wie?’ - ‘Ja’, sagt der Mann, ‘ich weiß auch nicht, entweder habe ich sie zu tief oder zu eng gesät.’“
    Diesmal konnte Hirosh mit dem Erfolg seiner Pointe zufrieden sein, die Zwillinge schütteten sich aus vor Lachen, und auch Wolegs
    Baß und Elbers etwas schepperndes Gelächter waren zu hören. Mochte sein, daß sich damit auch die Anspannung der letzten Viertelstunde entlud. Viertelstunde? Tatsächlich, länger war es noch nicht her, seit Woleg die Besatzung alarmiert hatte.
    „Interessanter Gedanke“, meinte Woleg, als sich alle wieder beruhigt hatten. „Vielleicht gehen wir auch irgendwo im
    Grundsätzlichen völlig falsch an alles heran. Aber wir haben ja eine festumrissene Aufgabe, zum Glück, und die wird uns noch genügend Kopfschmerzen bereiten.“
    Nur Delawara und Elber nutzten die Möglichkeit zum persönlichen Gespräch zwischen Raumschiff und Basis, die jedem eingeräumt wurde, der es wünschte, sobald Funksicht bestand und der offizielle Austausch beendet war. Erstaunlich daran war weder, daß sie das taten, denn sie mochten sich, wie man wußte, noch war es erstaunlich, daß die anderen darauf verzichteten, denn es war eigentlich gar kein Gespräch möglich: Man bekam die Antwort nach vierzehn Stunden, falls der Partner sofort reagierte, so weit war das Raumschiff entfernt. Es befand sich in halber Distanz zum Beteigeuze und würde sich auf einer kompliziert gebogenen Bahn noch weiter entfernen. Seinen größten Abstand von der Basis erreichte es beim Passieren des nachlaufenden Librationspunktes der Zwergbahn - der Abstand würde dann, wie bekannt, dem Abstand zwischen Beteigeuze und schwarzem Zwerg gleich sein, also etwa fünfzehn Milliarden Kilometer betragen.
    Ein Gespräch konnte unter diesen Bedingungen kein wirklicher Dialog sein, sondern nur eine Folge gesprochener Briefe. Nun gehören zwar Liebesbriefe zu den schönsten Erzeugnissen menschlichen Geistes; aber bei ihrem Gedankenaustausch

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