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Ziemlich beste Freunde

Ziemlich beste Freunde

Titel: Ziemlich beste Freunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Phillipe Pozzo di Borgo
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Titi stellt uns seinen Schwager vor, der von den Zehen bis zu den Schultern im Gips steckt. Belustigt schildert er seinen Unfall beim Gleitschirmfliegen: Ein Freund von ihm war mit verknoteten Fangleinen losgeflogen und driftete in Richtung des Berges ab. Beim Versuch, ihm zu helfen, ist Titis Schwager selbst gegen die Bergwand geprallt, sein Freund dagegen ist mit ein paar Kratzern davongekommen. Er lacht über diese Dummheit, genauso wie er über einen Unfall lacht, der ihm zwei Monate zuvor am Steuer seines kleinen Flugzeugs zugestoßen ist, zusammen mit der Tochter seines Chefs. Da verschwand der Motor plötzlich in der Tiefe – ein Bolzen war locker gewesen. Sie schafften es gerade noch bis zum See von Annecy, stürzten ab und konnten ans Ufer schwimmen. Überlebt haben sie nur, weil er sich nicht aus der Ruhe bringen ließ. Ein liebenswerter Irrer. Er bringt mir das Gleitschirmfliegen bei, indem er mich von einem Felsen schubst.
     
    Ich renne und fliege. Erst ein paar Jahre und mehrere Sicherheitstrainings später beherrsche ich alle Phasen des Flugs. Ich bin in der Lage, in tausend Meter Höhe meinen Schirm komplett einzuklappen und ihn in wenigen Metern Höhe geduldig wieder zu öffnen (über dem Wasser ist das Manöver weit weniger gefährlich, wie ich aus leidvoller Erfahrung gelernt habe!). Meine Flüge dauern immer länger. Nach fünf Stunden lande ich völlig erschöpft am Boden. Was für ein Gefühl, am Rascheln der Blätter die Blase warmer Luft zu erkennen, in ihrer Mitte zu kreisen und dann, den Magen in der Kniekehle, drei- oder viertausend Meter über dem Ausgangspunkt wieder auszusteigen! Wie schön sind die Bussarde, die man ebenfalls da findet, wo es Säulen warmer Luft gibt. Wenn ich über ihre Nester fliege, greifen sie mich manchmal im Sturzflug an. Einmal bin ich über den Montblanc geflogen. Sagenhaft, wie er mir da zu Füßen lag. Über mir schwebte ein riesiger Adler.
     
    Gleitschirmfliegen ist meine Leidenschaft. Mit einem Rucksack auf dem Rücken fahre ich in die Berge und mache an den schönsten Plätzen Halt. Anfangs trage ich sogar noch eine Schirmmütze und eine Krawatte, doch ich habe zu viele Mützen verloren, zu viele Krawatten verschlissen. Nach mittlerweile Hunderten von Flügen breite ich gelassen mein Segel aus, während die Amateure um mich herum Hektik verbreiten. Ich beobachte das Gras. An der Art und Weise, wie es stellenweise plattgedrückt liegt, kann ich ablesen, wie groß die Abstände zwischen den Blasen warmer Luft sind. Ich berechne die nächste Thermikablösung, werfe mich leicht ins Kreuz, um den Schirm genau darüber zu lenken. Perfekt! Während die anderen schwankend in der Thermik aufsteigen, ziehe ich kurz an der Bremsleine und schraube mich steil wie ein Hubschrauber in meiner warmen Blase hinauf.
    Mit vorgeneigtem Oberkörper lenke ich meinen Gleitschirm. Ich schreie, bin ein Adler. Die rechte Flügelspitze richtet sich bebend auf, ich beuge mich vor, das linke Bein über dem rechten verschränkt, die linke Hand etwas weiter vorn, die rechte ein kleines Stück zurück. Ich kreise, kreise weiter, noch weiter, bis die Säule warmer Luft mich oben entlässt, meistens genau unter einer Wolke. Das ist verboten, aber ich liebe es nun mal, mich an den äußersten Grenzen der Thermik zu verlieren. Niemand folgt mir so weit nach oben. Ich verlasse meine Wolke, suche mir eine Richtung aus und wechsle auf die nächste Luftsäule. Ich lehne mich zurück, strecke die Beine nach vorn, um die beste Gleitzahl zu erzielen, und zünde mir eine Zigarette an. Manchmal drehe ich mir sogar eine. Ich rücke die Kopfhörer meines Walkmans zurecht. Wie oft bin ich über den Himmel gesegelt und habe dabei aus voller Kehle Arien aus Norma geschmettert!
    Ich bleibe unendlich lange oben, Tausende von Metern über den anderen Gleitschirmen und weit über den Bergen. Zwei Mirage-Flugzeuge sausen unter meinen Füßen vorbei, ein Segelflugzeug kommt mir mit einem schrecklich lauten Pfeifen entgegen. Ich bekomme einen Schrecken. Ich bin im Schweizer Luftraum, ohne Reisepass. Mit dem seitlich an meinem Helm angebrachten Trinkschlauch lösche ich meinen Durst, und wenn ich Hunger bekomme, knabbere ich an einem Schokoriegel. Ich habe keine Lust zu landen, werde jedoch angefunkt. Dabei hatte ich sie doch alle abgehängt! Es ist Étienne, er ist erst sechzehn Jahre alt. Vom Boden aus, Tausende von Metern unter mir, hat er meinen Schirm entdeckt. Ich wickle mir die Bremsleine dreimal ums

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