Ziemlich beste Freunde
gedacht, dass gerade er einmal jemanden hinter Gitter bringen würde!
Der schwere Junge
Er behauptet, einen Meter siebzig groß zu sein, und ist eine Naturgewalt; Cassius Clay … in Klein. »Mohammed Ali!«, verbessert mich Abdel. Mit seinen riesigen Pranken kann er einem den Schädel zerschmettern. Ganz zu schweigen von den unzähligen Kieferbrüchen und Ähnlichem. Der Gegner geht zu Boden, er hat den Schlag nicht kommen sehen. Abdel ist nur ein bisschen blasser als sonst. Aber nicht lange, bald lächelt er wieder.
Ein viereckiges Gesicht, ein mächtiger Kiefer: Er reißt Fleisch wie ein Raubtier, verschlingt drei Kilo Lamm auf einen Schlag. Ein wahrer Fleischwolf. Energisches Kinn, lebhafte kleine Augen, die lächeln und immer in Bewegung sind. Kahler, glattrasierter Schädel, gepflegte Erscheinung, elegant und teuer gekleidet.
Abdel spricht wenig über seine Zeit als schwerer Junge. Aber mit den Jahren erschließe ich mir ein bisschen was von seiner turbulenten Jugend.
Mir war aufgefallen, dass er hundert Meter in einem irrsinnigen Tempo laufen kann.
»Sie hätten weiter trainieren sollen.«
»Brauch ich nicht mehr!«
»Wieso?«
»Hundertmetersprints sind praktisch, wenn man die Bullen abhängen will!«
»…«
»Doch, doch! In hundert Meter Entfernung gibt es immer irgendeinen Metro-Eingang, dann ist man in Sicherheit!«
»Trotzdem sind Sie geschnappt worden!«
Er hatte mir, einige Jahre nachdem ich ihn eingestellt hatte, gestanden, dass er im Gefängnis gewesen war.
»Nur ein paar Monate«, fügt er hinzu.
»Was für eine Dummheit haben Sie denn begangen?«
»Och! Nur ein kleiner Schmuckdiebstahl! Wir haben uns erwischen lassen, die ganze Bande.«
Ich sollte »die Bande« noch kennenlernen, als Abdel sie für unser Mietwagen-Unternehmen rekrutierte. Wenigstens konnte man sicher sein, dass sie sich gut mit der Polizei auskannten!
Er liebt es, meine Freunde zu provozieren, indem er beispielsweise von oben herab doziert: »Wissen Sie, die Gefängnisse sind im Winter gar nicht so übel; da hat man es schön warm, mit Fernsehen und allem Drum und Dran!« Sein Lieblingsthema ist das französische Sozialsystem: »Warum sollte ich arbeiten, wenn ich Sozialhilfe, Wohngeld und Krankenversicherung gratis bekomme? Nein, nein, Frankreich ist schon super. Hoffentlich bleibt das so.«
Ich sehe an den Gesichtern meiner Gäste, dass er sie gerade scharenweise in die Arme des Front National treibt. Er spielt seine Sozialbetrüger- und Ganovenkarte – einige Freunde machen sich insgeheim Sorgen, weil ich mir so jemanden ins Haus geholt habe. »Meine große Spezialität sind Sachen, die ›vom Laster gefallen sind‹. Das funktioniert so«, erklärt er: »Man organisiert sich einen gestohlenen Laster, verteilt die Ware unter den Kollegen und vertickt sie subito . Schecks werden nicht akzeptiert!«
Ich habe ihn im Verdacht, dass er damit immer noch weitermacht. Was hat er mir nicht schon alles angeboten: Markenparfums, Handys, Laptops, Stereoanlagen usw. usf.
»Abdel, Sie wissen genau, dass ich so was nicht annehmen kann.«
»Aber das ist echt gute Qualität, ehrlich!«
Zu meinem Geburtstag hat er mir eine wunderschöne Jukebox mit zweihundert CDs geschenkt. So kann ich vier Tage lang ohne Unterbrechung meine geliebte klassische Musik hören. Er gibt mir den Kassenbon und sagt verschmitzt: »Wegen der Garantie, falls es Probleme gibt.« Ein echtes Geschenk!
»Abdel, haben Sie nicht genug davon, immer außerhalb des Gesetzes zu stehen? Sie verkehren mit Zuhältern, Hehlern, Dealern …«
Er unterbricht mich: »Moment, mit Mädchen und Drogen habe ich nichts zu schaffen, ja? Das verstößt gegen meine religiösen Prinzipien.«
Er trinkt nicht, er raucht nicht, allem anderen gegenüber zeigt er eine gewisse Toleranz.
Mathieu Vadepied, dem Kameramann des Films Ziemlich beste Freunde , der einen Dokumentarfilm über die Protagonisten – Schauspieler und Originale – dreht, gesteht er, dass er wegen Diebstahls achtzehn Monate im Gefängnis saß. Es war wohl doch ein bisschen mehr als ein kleiner Schmuckladen!
Ich liege seit mehreren Tagen im Bett; gerade diktiere ich meiner Assistentin einen Brief. Zwei Polizisten betreten den Raum: »Wir würden Ihnen gerne ein paar Fragen zu einer Person stellen, die heute Nacht geblitzt wurde; das Fahrzeug ist auf Ihren Namen zugelassen.«
»Aber gewiss, Monsieur le commandant.«
Er hält mir ein Foto von Abdel in
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