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Ziemlich beste Freunde

Ziemlich beste Freunde

Titel: Ziemlich beste Freunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Phillipe Pozzo di Borgo
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bequem da und kann mich bewegen, ohne dass sie es sehen. Einmal lache ich mich fast kaputt, was sie auch nicht hören, als nämlich Raymond mit seinem Stock am Teppich im Salon hängen bleibt und sich an der Chaiselongue festhalten muss. Was für ein Durcheinander, als der Herzog von seinem Ruhebett rutscht. Alle schreien vor Schreck auf. Nur Béatrice und die Kinder haben mich lachen hören.
    Einmal, die Uhrzeit weiß ich allerdings nicht, wollten Laetitia und Robert-Jean mit mir allein sein. Da haben sie mich lächeln sehen, doch das blieb unter uns. Sie wissen jetzt, dass ich bei Béatrice bin und mein Leiden ein Ende hat. Und dass wir mit grenzenloser Liebe über sie wachen. Wie wir euch geliebt haben, meine Kinder, wie wir euch immer noch lieben.
    Ich sehe alle vorbeidefilieren, manche schweren Herzens. Sabrya, Fata Morgana; Papa, Treue; Maman, Zärtlichkeit; Granny, Respekt. Tante Éliane trägt ihr schönes himmelblaues Kostüm, das so gut zu ihren blauen, heute vor Kummer geröteten Augen passt.
    Während der Messe singen Nicolas und Sophie dieselbe Partitur wie für Béatrice. Dann sind da noch die blassblauen Stiefmütterchen des Freundes auf meinem Sarg und das weiße Blütenmeer auf dem Boden.
    Meine gebrechliche Schwiegermutter wird von Anne-Marie und Jean-François gestützt, als sie zum Friedhof von Dangu hinaufsteigen. Ich freue mich, so viele Kinder um mich zu sehen. Die Leichenbestatter schließen das Grab mit der Platte, dem gelb-blauen Mosaik aus Chrysanthemen und Iris, hinter mir. Die Platte sitzt auf vier Stiften, damit Béatrice und ich nicht eingesperrt sind. Das wäre nicht nötig gewesen, ist aber nett von ihnen.
    »Hallo, meine Verrückte! – Bist du da, Frau Pozzo? Pozzolinchen, ich bin es! Béa, mein Schatz, geliebte Béatrice, ich bin’s!« Keine Antwort. Die Geräusche der Lebenden verblassen.
    »Antworte mir, lass mich nicht allein in dieser Dunkelheit.«
     
    Die Finsternis weicht einem strahlenden Licht, Béatrice ist schöner denn je. Ich weine, weil ich sie wiederhabe. Du hast mir so gefehlt. Du hättest mich nicht diesen düsteren Zeilen überlassen dürfen. Sabrya, sagst du? Ja, sie war schön, sanft und zärtlich. Es war unsere Phönixliebe für dieses nunmehr für immer vollendete irdische Intermezzo. Jetzt, da ich zu Asche geworden bin, wirst du meine brennende Leidenschaft als Auferstandener hinnehmen müssen. Du willst sofort damit anfangen? Aber nein, ich hab dir so viel zu erzählen. Das weißt du schon alles? Ach, ja, das stimmt. Gehen wir ein wenig unter den Sternen spazieren, ganz miteinander verschmolzen. Nein, warte, ich muss erst noch all die Küsse nachholen, die mir entgangen sind. Übrigens, den Kindern geht es gut.
    … Ewigkeit … Innigkeit …

Der Schutzteufel

Pater Noster
     
    Vater unser, der du bist im Himmel
    Bleib dort
    Und wir werden auf der Erde bleiben
    Die mitunter so herrlich ist …
    Jacques Prévert, Pater Noster
     
    Eine üble Lungeninfektion hinderte den Sauerstoff daran, mein Gehirn zu versorgen. Ich trat weg. Und wie immer bei meiner Rückkehr aus diesen Abwesenheiten fing mein Kopf als Erstes an zu phantasieren: Ich habe einen Umweg übers Paradies genommen.
     
    Ich komme in einem Krankenhausbett zu mir – in Garches, glaube ich. »Ah, na also, er ist zurück auf der Erde!«, ruft Abdel. »Fünf Tage Delirium – und es war nicht mal lustig! Sie waren ganz woanders. Mit Ihren beiden Zimmernachbarinnen läuft es übrigens alles andere als rund!«
     
    Die Genannten machen sich unverzüglich bemerkbar, indem sie sich in die Wolle kriegen. Die eine ist bettlägerig, sie ist die Bösartigere, die andere benimmt sich wie ein kleines Mädchen und bittet mich dauernd um Hilfe. Sie ist nicht ganz bei Verstand und begreift nicht, dass ich nicht aufstehen kann. Zusammengerechnet bringen sie es auf fast zweihundert Jahre. »Wie lange will die mich denn noch zum Narren halten?«, maule ich.
     
    Sie erzählt mir, dass sie Probleme mit dem Laufen hat. »Es ist so anstrengend!«
    »So hat jeder sein Päckchen zu tragen.«
     
    Heute konnte ich in meinem Rollstuhl sitzen und mir die andere Frau ansehen. Ich kann sie auf ihrem Bett kaum erkennen, es ist vergittert, damit sie ihre Mordgelüste nicht an ihrer Nachbarin ausleben kann. Sie hat kein Gesicht, nur einen Schädel, der an einer Seite eingedrückt ist. Aber sie hat noch volles Haar. Sie liegt auf der Seite, fixiert die Zimmertür und spricht in einer Sprache, die niemand versteht. Meine

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