Ziemlich beste Freunde
leicht geöffneten Lippen zu, damit ich nicht weine, murmelt Zärtlichkeiten. Meine Spasmen nimmt sie als Beweis meiner Leidenschaft entgegen. Ein neuer Code für unsere Liebe, von diesem entwurzelten Körper.
Wenn sie nicht da ist, reagiere ich nicht. Ich gestehe meine Ohnmacht und warte. Ich tue gar nichts, meine Nutzlosigkeit erschöpft mich.
Ich werde ihr schreiben.
*
»Clara,
im Bett. Ich habe Angst, dass Ihr Schweigen endgültig sein könnte. Ihre Schönheit hätte einen neuen Sinn, nicht Lust, sondern ein zartes Band zu unseren verirrten Tagen. Ich sehne mich nach dieser ruhigen Beständigkeit.
Erfinden wir uns eine plausible Zukunft. Sie lägen an meiner Seite, unsere Körper getrennt, Gefährte ohne Ergüsse, nicht greifbare Präsenz. Wenn diese winzige Distanz Ihnen unerträglich wäre, würden Sie den Kopf an meinen Hals legen, vielleicht Ihren Körper auf meinen, der nichts fühlt. Sie würden in dieser kalten Umarmung die Augen schließen und sich wieder in der Sinnlichkeit wiegen, die Sie so missen.
Wie kann man eine so zaghafte Reise verlangen? Ach, Armut der Phantasie!
Bringen Sie mich wieder in meine Mitte. Ich werde folgsam sein.«
Die Fronten der Akkulturation 22
Abdel will niemandem etwas schuldig sein. Ich bin da, gezwungenermaßen, versöhnlicher, ich bin auf die anderen angewiesen. »Seien Sie nicht so kategorisch, Abdel, es ist nicht alles schwarz-weiß, man muss ein paar Nuancen zulassen, wenn man die Realität verstehen will.«
Er liebt es, zu provozieren. Meinem Bruder, der Informatiker ist, erklärt er, dass sein Programm einen Fehler habe. Abdel weiß nicht mal, wie man einen Computer hochfährt! Der Unruhestifter feixt.
Vor einem Parkett voller Behinderter sagt er von der Bühne herab: »Für einen Behinderten ist es viel leichter, einen Job zu finden, als für einen Araber.« Fassungslosigkeit! »Das war natürlich ein Witz!«
Und der ganze Saal prustet los.
Abdels Philosophie: Alles ist im Arsch. Der Tod ist eine Notwendigkeit, der Rest ist Komödie. Bloß kein politisches Engagement: »Das bringt sowieso nichts, die sind doch alle korrupt!«
»Und was ist mit den jungen Muslimen, die ihr Leben für Freiheit und Gerechtigkeit aufs Spiel setzen?«
»Ja, aber nicht die Freiheit und Gerechtigkeit hier bei Ihnen, wo jeder den anderen über den Tisch zieht, die Vorstädte brennen, wo man die Alten krepieren lässt, wo sich alles nur um Sex dreht, jeder nur an sich denkt. Da versuche ich natürlich, das Beste für mich rauszuschlagen, mir meine Position zu sichern, und wenn das auf Kosten der anderen geht, nicht mein Problem.«
Da ist was dran. Ich versuche es noch einmal:
»Aber Abdel, Sie sind doch ein perfektes Beispiel für das westliche Weltbild! Das ›Jeder für sich‹ dient bloß den Interessen der Bourgeoisie. Je mehr Sie nur an sich denken und nicht an die anderen, desto verwundbarer sind Sie.«
Abdel ist perplex!
Die abstrakte Kunst, die ich sammle, empört Abdel: »Ein Luxus der ›kleinen Großbürger‹. Wenn ich einen Dolmetscher brauche, um das zu verstehen, dann stimmt doch was nicht.«
Einmal, in einer Ausstellung von Zao Wou-Ki, sinniere ich hingerissen über die Spuren, die der Künstler hinterlassen wird: »Ich kann Ihnen auch ein paar Spuren hinterlassen, wenn Sie wollen!«
»Abdel, Sie haben recht, fast die gesamte moderne Kunst ist l’art pour l’art, selbstgenügsam und ohne Engagement. Aber es sind auch Künstler darunter, die einen berühren, die die Menschen mitnehmen, zugänglich sind. Selbst für Sie, Abdel.«
»Zugänglich, bei den Preisen? Was die verdienen! Wir haben nicht dieselben Werte!«
Als ich einmal die erste Ausstellung eines jungen Künstlers organisiere, eines Absolventen der École polytechnique, der offenbar Algorithmus mit Kunst verwechselt: »Ich kann Ihnen das gleiche für eine Null weniger machen.«
»In dem Punkt bin ich Ihrer Meinung, Abdel, aber seine Freundin ist hübsch, das gleicht einiges aus.«
»Ein teurer Ausgleich!«
Abdel hört keine Musik. Aber am Ende findet er Gefallen an Mozart und Bach. Ich gebe ein Konzert bei mir zu Hause. Der Tod und das Mädchen von Schubert, gespielt von den vier charmanten Interpretinnen des Quartetts Psophos: »Das ist nicht schlecht, ziemlich typisch fürs 16. Jahrhundert«, sagt er, als er gegen Ende des Konzerts wieder wach wird.
Eines unserer Streitthemen sind die Frauen, über die Abdel lange sehr
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