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Ziemlich beste Freunde

Ziemlich beste Freunde

Titel: Ziemlich beste Freunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Phillipe Pozzo di Borgo
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praktiziere praktisch. Ich wahre den Glauben, meine Bräuche, meine Traditionen. Die Religion ist die Basis unserer moralischen Werte«, sagt er (was für einen Weg er zurückgelegt hat!). »Ich mag die Leute nicht, die nur dann an Gott denken, wenn sie ihn gerade brauchen. Aber die Religion soll bloß nicht kommen und mich von irgendetwas abhalten wollen. Die Religion hat nie irgendwas verboten, die Leute verstecken sich nur oft hinter ihr, damit sie das, was sie zu tun haben, nicht tun müssen.«
     
    Amen!
     
    19 Charles Péguy, Le porche du mystère de la deuxième vertu, 1912.
     
    20 Mariano José de Larra, Fígaro en el cementerio (Figaro auf dem Friedhof. Ein Jahr nach der Niederschrift nahm sich der Autor das Leben, er war erst 26.)
     
    21 Jean-Paul Sartre.

Die Trösterinnen
    Trösten, auf Französisch consoler , kommt vom Lateinischen consolari , »ganz halten« – meine Ganzheit, meine Integrität, verdanke ich den Frauen.
     
    Abdel liebt Frauen mit weiblichen Rundungen. Nach Gebrauch bietet er sie mir mit Kommentaren und Hinweisen an. »Das ist nichts für mich, Abdel.«
     
    Ich weiß, wovon ich spreche: Ich habe, wider Willen, schon einmal so ein »Geschenk« von Abdel bekommen.
     
    Musik erfüllt das dunkle Zimmer, meine Neuralgien, meinen Körper. Abdel steckt den Kopf zur Tür herein:
    »Ich habe ein Aspirin für Sie.«
    Er tritt zurück, um zwei »Airbags« vorbeizulassen. »Na dann, gute Nacht …«
     
    Sie heißt Aïscha und gesellt sich ganz zwanglos im Evakostüm zu mir. Sie schmiegt sich an meine Schulter. Wir wechseln keine zwei Worte miteinander. Sie ist aufmerksam und scheint von meiner Situation nicht im Geringsten eingeschüchtert zu sein. Ihre Anwesenheit beruhigt mich. Endlich schlafe ich ein.
     
    Einige Monate später reitet mich eine exquisite Amazone und bringt mich völlig ausgelaugt zurück in den Stall. Dann bemuttert mich eine verlassene Frau, viel zu lange und viel zu sehr.
    Ein Nachbar, der sonst nichts zu tun hat, schickt mir, nachdem er Le second souffle gelesen hat, ein Freudenmädchen vorbei. Abdel prustet hinter der Tür los, als die »Masseuse« sich – unter anderem – an meinen Ohren zu schaffen macht.
    Eine Mulattin, Tochter einer Prinzessin aus Mali und eines schwedischen Matrosen, begleitet mich durch meine schlaflosen Nächte. Meine Ansprüche überraschen sie.
    Eine große, überdrehte Walküre reißt mich mit und bietet mir Schnee an. Entspannt und trunken taumelt sie durch die Nacht. Dann rollt sie sich zusammen und schläft ein.
     
    Und schließlich Clara. Sie hat Béatrice in Larmor-Plage in der Bretagne kennengelernt, als ich im Reha-Zentrum war. Eines verzweifelten Tages ruft sie mich in Paris an. Sie bleibt über Nacht, vierzehn Tage, schließlich, mit Unterbrechungen, zwei Jahre. In ihrer Unschuld habe ich die Aufrichtigkeit meiner verirrten Seele wiedergefunden. Sie hat mich meine verstörenden Gelüste vergessen lassen. Ich rede so viel mit ihr, sie lauscht den Worten zwischen den Zeilen und unterbricht mich mit einem Kuss. Ich berausche mich an ihrer Aufmerksamkeit.
    Meine Hingabe verführt sie in ihrer Einsamkeit. Sie findet ihre Jugendträume wieder, die Jahre des Verrats verblassen und sie schöpft neue Hoffnung. Sie schlüpft zwischen den mechanischen Anbauten meiner Behinderung hindurch und begnügt sich mit den traurigen Überresten meiner Erscheinung. Ihre Offenherzigkeit rührt mich, und wenn sie sich mit ihren Sinnen meinem zerstörten Körper überlässt, kommt eine traurige, friedliche Dankbarkeit in mir auf. Bald bestimmt die Ruhe ihres Atems meine erleichterten Nächte.
    Ich betrachte sie in ihrem königsblauen Kostüm, und verliebte Tagträume streifen meine Erschöpfung. Sie begleitet mich durch die Parkalleen. Sie weiß nicht, wie sie sich um diesen Körper herum platzieren soll. Ich hebe den Kopf, um sie anzusehen. Sie küsst mich mit geschlossenen Augen.
     
    In dieser Nacht gibt das Klopfen ihres Herzens an meinem Hals den Rhythmus der Bilder von ihr vor. Ich habe etwas von unseren gedämpften Spielen gespürt. Diese träge Aufwallung bremste unsere Körper. Sie rollt sich aus wie eine Wolke. Langsam streichelt sie die schwere Brust. Wir treffen uns in ihrem Drang, bis aufs Äußerste gespannt durch meine aufmerksame Beteiligung. Sie hält sich so sehr zurück, dass sie fast so gelähmt ist wie ich; die Woge, kaum wahrnehmbar, bis zu dem Seufzer in ihren Augen. An mich geschmiegt, endlich erleichtert, lächelt sie mir mit

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