Ziemlich beste Freunde
Abdel gönnt ihnen kaum eine Pause. Er selbst rasiert sich nicht einmal mehr.
Laurence stellt Abdel ein Ultimatum: »Entweder Ihre Leute räumen den Basar hier auf, bevor ich morgens ins Büro komme, und Ihre drei Pitbulls pinkeln auf die Straße und nicht auf meinen Teppich oder Sie müssen sich jemand anders suchen!«
Ich werde zum ersten Mal ins Büro gebracht. Plötzlich stellt sich ein Auto, das von rechts kommt, vor unseren Wagen. Abdel steigt aus und beschimpft den »Schuldigen«. Der kurbelt die Scheibe runter und weist darauf hin, dass er von rechts kommt. Erster Fehler und gigantische Ohrfeige. Der Typ greift ins Handschuhfach und holt ein riesiges Messer heraus. Zweiter fataler Fehler: Yacine packt den Kerl am Kragen und schiebt ihn zu Abdel rüber, der ihm einen heftigen Faustschlag verpasst. Blutend und über seinem Lenkrad zusammengesackt wird der Unglückliche zurückgelassen.
»War das wirklich nötig?«
»Idioten lassen einem keine andere Wahl.«
»Sie sehen nicht sehr gut aus, Monsieur Pozzo«, sagt Laurence, als wir das Büro betreten. »Ich bin nicht sicher, ob Sie das hier aushalten.«
Schon an der Tür ist der Geruch unerträglich, die Kampfhunde sind außer Rand und Band. Abdel bellt einen Befehl und die drei Raubtiere legen sich hin.
Rechts ist ein Abstellraum, der als Küche dient; das schmutzige Geschirr türmt sich gen Himmel, ein Topf mit Pfefferminztee köchelt vor sich hin. Laurence nimmt die Anrufe mit einem Schal vor der Nase entgegen. Die Umzugskartons sind immer noch nicht ausgepackt, die Akten über den ganzen Fußboden verteilt. »Morgen kommen die Möbel«, sagt Abdel.
»Das tun sie seit vierzehn Tagen«, bemerkt Laurence.
Der Raum, der mir als Büro dienen soll, wird von der Truppe zum Schlafen genutzt. Bettdecken liegen auf dem Boden, mitten im Müll. Dringlichkeitssitzung und Rüffel für die Herren.
Laurence legt die Ergebnisse vor: Der Abnutzungsgrad der Fahrzeuge und die Beanstandungsquote sind sehr hoch. Sie nutzt die Gelegenheit, um einige Autos zur Verschrottung anzumelden.
Ich bin müde, mir gehen die Argumente aus. Auf der anderen Straßenseite sehe ich einen unserer Peugeot 605 mit eingedellter Kühlerhaube stehen. »Das ist kein Problem«, sagt Abdel. »Mein Freund aus der Werkstatt kriegt das schon wieder hin.«
Eine Freundin ruft mich an, um mir von ihren Erfahrungen mit unserer Firma zu berichten. Mit knapp einer Stunde Verspätung klingelte ein großer Spaßvogel in Jeans und Turnschuhen an ihrer Tür; das Auto war verdreckt, der Tank leer. Und dann war er auch noch so dreist, sie zu bitten, ihn in der Stadt abzusetzen!
An einem anderen Tag stellt mir Laurence einen Anruf der Polizei von Lyon durch. Abdel und sein Komplize sind verhaftet worden: Die Polizisten hatten im Kofferraum einen übel zugerichteten Passagier gefunden. »Der Kunde hatte drei Tage überzogen«, erklärt mir Abdel. »Meine Kumpel haben ihn in Lyon aufgetrieben und wir haben uns das Auto zurückgeholt.«
Allem Anschein nach handelt es sich um einen Bekannten von Abdel, der sein Vertrauen missbraucht hat. Der Zusammengeschlagene entlastet Abdel bei der Polizei, aus Angst vor weiteren Repressalien. Am Abend steht Abdel triumphierend vor mir. »Was soll das, Abdel? Mit Ganoven machen wir keine Geschäfte und Sie sollten lieber darauf achten, die ehrliche Kundschaft besser zu behandeln.«
»Sie ahnen gar nicht, wie recht Sie haben. Vorgestern erst musste ich vollen Körpereinsatz leisten, um eine etwas dickere Kundin zufriedenzustellen!«
Ich bin entsetzt und beunruhigt.
Nachdem ich mit Laurence Bilanz gezogen und festgestellt habe, dass 30 Prozent des Fuhrparks »in Reparatur« sind, und dann die Litanei der Beschwerden über mich habe ergehen lassen, verkünde ich die Schließung des Unternehmens. Der ganze Spaß hat sechs Monate gedauert und war ziemlich teuer.
Ein wenig leichtsinnig schlage ich Abdel vor, er solle sich etwas überlegen, das ihm mehr liegt. Es dauert nicht lange, bis er mit einer Idee zu mir kommt: »Wir ersteigern Wohnungen, die noch vermietet sind, da gibt es richtig schöne Schnäppchen.«
»Klar, weil die Mietpreise gesetzlich festgelegt sind.«
»Das ist kein Problem.«
Abdel hievt mich in den Auktionssaal hoch. Als sie uns sehen, verstummen die Organisatoren und potenziellen Käufer. Bei der ersten Wohnung, die uns interessiert, neige ich leicht den Kopf, um mein Gebot abzugeben, so wie ich es immer
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