Zigeunerprinz
gab Mara neues Selbstvertrauen. Jedenfalls dafür hatte Roderic keinen Centime gezahlt.
Roderic rückte ihr einen Sessel vor das Feuer. Sie warf ihm einen kurzen Blick zu, während sie pflichtschuldig »Danke« murmelte. Die strahlende Genugtuung, die sie daraufhin in seinem Blick bemerkte, ließ sie bis unter die Haarwurzeln erröten. Er hatte sich eigens so verhalten, um sie zu provozieren, und er wußte nur zu gut, daß ihm das gelungen war. Solch ein Mann würde nicht zögern, eine Frau in sein Bett zu locken, und wenn sie von einer Phalanx von Nonnen beschützt würde, von einer einzigen Großmutter ganz zu schweigen. Warum Grandmere Helene das nicht einsehen wollte, war ihr unbegreiflich.
Mara wühlte in ihrem Gedächtnis nach einem unverfänglichen Gesprächsthema. Bevor sie eines gefunden hatte, lenkte das Getrappel eines galoppierenden Pferdes im Eingangshof sie ab. Ihre Großmutter sagte etwas, das sie nicht hörte, weil sie den schnellen Stiefelschritten auf der Treppe lauschte. Mit einem Blick auf Roderic begriff sie, daß er es ebenfalls gehört hatte. Er schaute auf die Tür.
Michael trat ein. Sein dunkles Haar war zerrauft, und auf seinen Wangen zeigten sich Zornesflecken. Eine auf billigem gelbem Papier gedruckte Zeitung schwenkend, kam er auf sie zumarschiert. Er überreichte Roderic das Blatt und sagte: »Lesen Sie das.«
Kaum hatte der Prinz die Zeitung in der Hand, waren draußen noch mehr Schritte zu hören. Trude drängte herein, gefolgt von Jacques und Jared. Estes kam gleich hinter ihnen. Von den vieren hielten drei Ausgaben der Zeitung in der Hand.
»Was ist denn?« fragte Mara und schaute von einem zum anderen.
Mit abgehackter Bewegung übergab Trude Mara die Zeitung und baute sich dann in einer eigenartig beschützerischen Weise neben ihrem Sessel auf. Estes reichte achselzuckend seine Zeitung an Grandmere Helene weiter. Die alte Dame warf einen Blick auf die gellende Schlagzeile, rang nach Luft und fiel dann in den Sessel zurück.
PRINZ VERFÜHRT SCHWESTER! PATENKIND DER KÖNIGIN VERLIERT UNSCHULD AN SEINE HOHEIT!
Mara starrte auf die Buchstaben. Sekundenlang weigerte sich ihr schockiertes Hirn zu denken. Dann begriff sie schlagartig. Ohne bewußten Befehl sprachen ihre Lippen den Namen aus.
»De Landes«, sagte sie leise.
»De Landes«, wiederholte Roderic, und in seiner Stimme lag eine so unbändige Drohung, daß Grandmere Helenes blasse Gesichtshaut plötzlich weiß vor Angst wurde, als sie ihn anblickte.
Mara atmete mühsam ein und hob den Kopf, um sich dem Blick des Prinzen zu stellen. »Ich vermute, das wird die neue Praslin-Affäre.«
»Die Praslin-Affäre?« sagte Grandmere Helene. Vor Schreck klang ihre Stimme quengelig. »Wie kommst du darauf? Was soll das mit dieser Mördergeschichte zu tun haben?«
»Es könnte einen ähnlichen Skandal unter dem Adel auslösen und sich möglicherweise auf die gegenwärtige Regierung auswirken.«
»Roderic hat keinen französischen Titel!«
»Aber er ist eine Gestalt von öffentlichem Interesse, stadtbekannt und steht dem Thron nahe.«
»Meisterhaft kombiniert«, erklärte der Prinz mit eisiger Stimme. »Wer hat Ihnen das erklärt?«
»Niemand.« Kurz war sie stolz darauf, daß ihre Stimme gleichmütig blieb.
»Nicht einmal unser Incubus, unser macchiavellistischer Freund mit seinem Hang zum Bösen? Nicht einmal de Landes selbst?«
»Nein.«
Roderic schüttelte den Kopf, und ein Lächeln umspielte seinen Mund, ohne daß es seine Augen erreicht hätte. »Wie nachlässig von ihm. Er hätte Ihnen auch die einzig anständige und heilige Antwort auf eine so obszöne Anschuldigung verraten, Ihnen das strahlende, schneidende Schwert in die Hand geben können, mit dem man den gordischen Knoten dieses Problems durchschlagen kann. Er hätte Ihnen raten können, die Heirat von mir zu fordern.«
Mit angehaltenem Atem wartete er auf ihre Antwort. Was er von ihr verlangte, war unvernünftig: daß sie aus den rechten Gründen ablehnen sollte, damit er sie überreden konnte, aus falschen zuzustimmen. Er hielt sich aufrecht, die Arme ruhig an seiner Seite. Nicht einmal durch eine Geste wollte er sie beeinflussen.
»Niemals«, sagte sie mit vor Abscheu verdüstertem Blick. Sie sprang auf und wandte sich von ihm ab.
Er atmete wieder. »Warum? Wünschen Sie sich nicht, Prinzessin zu sein?«
»Nicht, wenn Sie der Prinz sind.«
»Obwohl überall Regierungen stürzen und Könige ihren Kopf mitsamt der Krone verlieren? Es ist schön, so
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