Zigeunerprinz
wieder einstieg, stopfte die Reisedecke um sie herum fest und munterte sie mit sanften, fröhlichen Neckereien wieder auf, wenn sie vor Müdigkeit ermattete. Ein- oder zweimal schwang er sich aus seinem Sattel, um mit den Damen zu fahren, dann unterhielt er sie mit einem scheinbar mühelosen Erguß von Kommentaren und Klatsch über die Orte, an denen sie vorbeikamen. Größtenteils waren die Geschichten so schockierend und so hinreißend anstößig, daß Grandmere Helene aufs angenehmste entrüstet war. Das Ergebnis seiner Bemühungen bestand darin, daß die alte Dame, als sie die Stadt erreicht hatten, seine Einladung angenommen hatte, bei ihm im ruthenischen Haus zu wohnen. Natürlich würde auch ihre Enkelin bei ihr bleiben.
So geschickt hatte er das eingefädelt, daß Mara keinesfalls mit Anstand ablehnen konnte. Sie hätte wohl ihre Weigerung herausbrüllen, hysterisch loszanken und vor allen Leuten einen Streit vom Zaun brechen können, aber der einzige Grund für eine Ablehnung, den ihre Großmutter akzeptiert hätte, war so persönlich, daß sie das einfach nicht über sich brachte. Sie würde trotzdem nicht bleiben. Dazu war sie fest entschlossen. Sobald sie allein mit ihrer Großmutter sprechen konnte, würde sie ihr genau erklären, was vorgefallen war, und damit wäre die Sache erledigt.
Aus Feigheit und aufgrund der unauslöschlichen Hoffnung, daß sie darum herumkommen würde, hatte sie die Erklärung bis jetzt für sich behalten. Grandmere Helene hatte, als sie das Schloß erblickt und festgestellt hatte, daß keine anderen Gäste da waren, bereits vermutet, daß man sie festhielt, um Maras Kooperation in de Landes' Plänen sicherzustellen. Sie hatte es jedoch für selbstverständlich gehalten, daß der Prinz, der ihr zu Hilfe kam, in diesem Stück die Rolle des Guten spielte und edelmütig auf eine einfache Bitte Maras reagiert hatte. Sie schien zu glauben, daß die verstrichene Zeit auf das Bedürfnis ihrer Enkelin zurückzuführen war, Roderic besser kennenzulernen, ehe sie ihm ihr Vertrauen schenken konnte.
Niemand konnte wissen, wie ihre Großmutter reagieren würde, wenn sie von dem Opfer erfuhr, das Mara ihretwegen auf sich genommen hatte. Sie war aus härterem Holze geschnitzt, als Mara ahnte, das hatte ihre Einkerkerung bewiesen. Und bestimmt wäre sie verletzt. Trotzdem mußte sie die Wahrheit erfahren. Sie würde es, sobald sie alleine waren.
Mara hatte nicht geahnt, wie schwer es sein würde, der alten Dame die Situation begreiflich zu machen.
»Was soll das heißen, du kannst nicht bleiben, meine Liebe?«
»Ich werde mich nicht unter Roderics Schutz stellen und keine Sekunde länger seine Mätresse sein. Es tut mir leid, wenn dir diese offenen Worte peinlich sind, aber -«
»Mir peinlich sind? Ich bin keine Anstandsdame vom englischen Hof Königin Victorias! Ich versichere dir, daß wir noch wesentlich offener gesprochen haben, als ich ein Mädchen war. Ich möchte nur wissen, warum du das Gefühl hast, bei diesem Mann nicht bleiben zu können.«
»Er - ach, das weißt du doch! Er hat bestimmt nicht die Absicht, mich zu heiraten.«
»Hat er das gesagt?«
»Er ist ein Prinz!«
»Das hat seinen Vater nicht daran gehindert, Angeline zu heiraten. So wie du es schilderst, hast du den Mann verführt, und zwar aus einem Grund, der nichts mit seiner Anziehungskraft zu tun hat. Du mußt ihm Zeit lassen, sich mit diesem Gedanken abzufinden.«
»So war es keineswegs.«
»Ein vielversprechendes Geständnis. Wie war es dann?«
»Es war - Das ist doch egal! Ach Großmutter, verstehst du denn nicht? Wir können nicht hierbleiben. Das wäre unmoralisch.«
»Du hast Angst, daß er dich verletzen könnte. Angeline war genauso, sie ist fortgelaufen, als sie viel lieber geblieben wäre.«
»Wenn du damit andeuten willst, daß ich mir etwas aus Roderic mache -«
»Etwa nicht?«
Mara wandte sich schnell ab. »Natürlich nicht.«
Es stimmte nicht, aber wenn sie es sich lang genug einredete, dann würde es vielleicht wahr werden.
»Du hast ihn ausgenutzt, Mara. Überleg einmal, was das für ihn bedeutet.«
»Er wußte, was ich tat, und hat mich aus bloßer Neugier gewähren lassen.« Sie konnte nicht verhindern, daß ihre Stimme bitter klang.
»Er konnte es vermuten. Was immer er auch gesagt hat, er konnte es nicht wissen. Ein Wunder, daß er dich nicht ermordet oder ausgesetzt hat, nachdem er es herausgefunden hatte. Ich finde es ... interessant, daß er das nicht getan hat, daß er sich
Weitere Kostenlose Bücher