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Zigeunerprinz

Titel: Zigeunerprinz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Blake
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waren aber nicht indiskret. Sie akzeptierten sie, wie sie war, ohne Frage, ohne Urteil. Sie war da. Das genügte.
    Um sie herum lehnten sich die anderen trinkend, lächelnd zurück. Erst jetzt, da die Spannung nachließ, wurde ihr klar, wie nervös sie alle gewesen waren. Es war, als würden sie alle hinter sorgsam vorgehaltenen Masken grimmig eine weitere Verschärfung der Lage erwarten. Heute abend konnten sie sich amüsieren, konnten sie wie die Zigeuner glauben, daß das Leben einfach war, daß es, gleichgültig wie man es lebte, besser war als der Tod. Genau das hatte Roderic ihr in jener Nacht klarzumachen versucht, in der er sie aus der Seine gezogen hatte. Damals hatte sie seine Worte kaum mitbekommen, doch jetzt hallten sie klar und deutlich in ihrem Geist wider.
    Hören Sie gut zu, ma chere, und merken Sie sich meine Worte: Kein Schicksal ist so schlimm wie der Tod ... Da war noch etwas gewesen, aber dessen konnte sie sich nicht mehr entsinnen. Gleichgültig. Die Worte strahlten eine gewisse Macht aus, und sie waren ihr teuer.
    In ihren Kreis stolperte ein kleines Mädchen, das höchstens ein Jahr alt war. Ihr Haar wuchs in weichen, fedrigen dunklen Locken, und ihre Augen waren rabenschwarz und fröhlich. Ihr folgte ein älteres Mädchen von fünf oder sechs, das, wie eine Mutter schimpfend, die Kleine zurückzuhalten versuchte.
    Das kleine Mädchen, kaum mehr als ein Baby, stolperte über die Fransen der aufgestapelten Teppiche und fiel in Richtung des Feuers. Roderic streckte blitzschnell die Hand aus, um sie aufzufangen, und bekam eine Handvoll Rock zu fassen, an der er sie mit einer Hand in seine Armbeuge lenkte. Er legte seine Mandoline beiseite und warf das Kind in die Luft, so daß das verblüffte Wimmern sich in lautes, fröhliches Krähen verwandelte.
    »Ein zartes Stück, aber zu wertvoll, um geröstet zu werden«, erklärte Roderic.
    Das Baby packte sein Haar und fuhr mit seinen klebrigen Fingern durch die goldenen Strähnen, während es ihm zugleich einen nassen Kuß auf die Nase gab. Er bemerkte, daß der Stoff in seiner Hand feucht war, und seufzte.
    »Tröpfelnd und anspruchsvoll, undicht und nur allzu liebenswert. Es ist ein Mysterium, wie die menschliche Rasse überlebt hat.«
    Mara, die beobachtete, wie er geduldig die kleinen Hände aus seinem Haar befreite und das Kind herzte, rieb sich den verspannten Nacken und spürte ein Lächeln um ihre Mundwinkel spielen, als sie den Prinz von Ruthenien so unerwartet in einem ganz neuen Licht sah. Warum sie das glücklich machte oder überraschte, vermochte sie nicht zu sagen. Sie hatten über Babies gesprochen, sie und Roderic, in der Nacht ihrer ersten Begegnung, aber damals hatte wenig darauf hingedeutet, daß er sie mochte. Oder mit ihnen umzugehen verstand.
    Als das Essen fertig war, war es vorzüglich, mit Kräutern und Knoblauch gewürzt, die Schwarte knusprig, braun und fest, das Fleisch saftig und zart. Das in den Kohlen gebackene Brot schmeckte leicht nach Rauch, die ideale Ergänzung. Das Essen wurde mit noch mehr Wein hinuntergespült, danach wischten sie, zumindest die Gäste, ihre Hände an groben Handtüchern ab, die in mit Wermut aromatisiertes Wasser getaucht worden waren.
    Sie aßen immer noch, als ein Reitertrupp eintraf. Schweigen legte sich über das Lager, als man die Uniformen erkennen konnte. Der Sippenführer legte das Truthahnbein aus seiner Hand und stand auf. Gemeinsam mit Roderic, der sich bereits erhoben hatte, ging er zu den Pferden der berittenen Gendarmen.
    Es ging um ein gestohlenes Pferd, so flüsterte man sich im Lager zu. Die Gendarmen wollten nach dem Tier und seinem Dieb suchen. Die Zigeuner hatten nichts zu verbergen, natürlich nicht. Laßt die Polizei herein. Gebt ihnen zu essen und zu trinken. Spielt, tanzt, singt.
    Roderic, ebenso höflich wie in seinem eigenen Salon, wies den Männern einen Platz auf den Teppichen zu. Wein und Spanferkel wurden gebracht und vor ihnen abgestellt. Fröhlich und laut erscholl Musik. Eine junge Frau mit grellrotem, goldbesticktem Kopftuch eilte in die Mitte des Kreises und begann mit fliegendem Kopfschmuck um das Hauptfeuer zu tanzen. Der Rhythmus des Tanzes wurde von den Zigeunern aufgenommen, die den Takt dazu klatschten. Die Augen der Tänzerin funkelten, und ihr Lächeln blitzte auf, während sie sich drehte und stampfte und sich wiegte. Die Münzen an der Kette um ihren Hals klimperten. Schneller und schneller tanzte sie, bis sie sich in einer rasenden Schlußkadenz vor

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