Zigeunerprinz
klaglos aus, aber sein Benehmen strahlte keine Ergebenheit aus. Auch hatte er es nicht getan, weil er zu der Gruppe gehören wollte. Er mischte sich unter die anderen, lachte mit ihnen und trank mit ihnen als Gleicher unter Gleichen, aber er entfloh auch oft ganz allein. Es waren auch nicht die Verlockungen des Soldatenlebens gewesen, denn obschon er stolz auf seine Uniform und seine Ausstattung war, trug er sie nur, wenn die Gelegenheit es erforderte. Andernfalls war er es zufrieden, seine Zigeunerkleidung zu tragen. Normalerweise schlief er im Zimmer eines der männlichen Truppenmitglieder, aber bisweilen schlich er sich immer noch aus dem Haus, um im Hof im Freien zu nächtigen.
Manchmal glaubte Mara, daß er zwar von vielen Dingen angelockt worden war, daß aber nur Juliana ihn hier hielt. Er beeilte sich immer, der erste zu sein, der der Prinzessin einen Dienst erwies, und war immer bereit, sie zu eskortieren. Oft beobachtete er sie, wenn sie nicht hinschaute, und einmal hatte Mara gesehen, wie er einen Handschuh aufhob, den das Mädchen fallen gelassen hatte, und ihn in seine Tasche schob. Aber er suchte keinen Vorwand, um bei ihr zu sein,
und sagte nur wenig, wenn er in ihrer Gesellschaft war. Er war ein Rätsel, dunkel und hübsch, ein bißchen wild, aber zuverlässig und beschützend.
Luca war es auch, der den Haushalt in das Zigeunerlager einlud. Die Sippe wurde unruhig, nachdem Roderic ihr so viele Beschränkungen auferlegt und sie zur Tatenlosigkeit verurteilt hatte. Sie hatten gehört, daß der Boyar in Paris war, und sie wollten ihren Herrn - und seinen Sohn - noch einmal bei sich haben. Man würde feiern und musizieren und singen und tanzen, bis die Nacht vorüber war.
Sie rochen das Spanferkel und das Geflügel, bevor sie das Lager erreicht hatten. Das kräftige Aroma mischte sich mit dem Duft des Holzrauchs und dem Geruch von Heu und Pferden. Die Pferdewagen standen in einem Kreis, um den kalten, böigen Wind abzuschirmen. Innerhalb des Kreises brannten rotglühende Kohlenfeuer, über denen gekocht wurde, während an anderen Feuerstellen die wärmenden Flammen den dunklen Himmel leckten. Teppiche waren rundum aufgestapelt, auf denen Männer und Frauen lagerten. In die kleineren Teppiche wurden Kinder gewickelt, der Wärme wegen, andere rannten kreuz und quer durch das Lager und tollten mit den Hunden herum. Musik erscholl und unterlegte das Plaudern und Lachen und Schreien der Kinder, das aus der Umfriedung drang.
Als erste entdeckten die Hunde ihre Ankunft und kamen wild bellend auf sie zugerannt. Roderic und Luca brachten sie mit einem barschen Kommando zum Schweigen, aber den Jubel und die Willkommensrufe konnten sie nicht unterdrücken, sobald die Ankunft Rolfs, des Boyaren, und Thronerben, entdeckt worden war. Die Zigeuner versammelten sich um ihn und versuchten ihn zu berühren. Er nahm ihre Ehrerbietung wohlgefällig und fröhlich zur Kenntnis, schlug den Männern auf den Rücken und küßte die Frauen, die sich in seine Arme warfen.
Unzeremoniell, aber liebevoll wurde er zu dem Ehrenplatz auf dem schwersten Teppich vor dem Feuer geführt. Roderic wurde zu seiner Rechten gesetzt, Mara wurde mit sanfter
Gewalt neben den Prinzen niedergedrückt. Der Mann, der während Roderics Abwesenheit die Sippe führte, ein wilder Bursche mit zähem Gesicht und einem Tuch auf dem rabenschwarzen Haar, nahm links neben dem Boyaren Platz, so daß sie sich beraten konnten. Juliana wurde willkommen geheißen und hinter den Sippenführer gesetzt. Luca nahm den Platz neben ihr ein. Für Grandmere Helene zauberte Michael einen Stuhl aus einem der Wohnwagen herbei, stellte ihn neben Mara ab und ließ sich daneben nieder; die anderen suchten sich selbst einen Platz.
Wein wurde ausgeschenkt. Eine Mandoline wurde in Roderics Hand gelegt. Leise stieg die Musik der Zigeunerviolinen in die Luft. Wild und süß kündete sie von Leben und Liebe und Freiheit. Roderic nahm die Melodie auf und schickte reine, sanfte Töne in die Nacht.
Mara hatte geglaubt, sich ablenken, sich vielleicht sogar amüsieren zu können. Statt dessen verspürte sie Zufriedenheit. Über ihr war der offene Himmel mit den funkelnden Sternen. Die Nacht und der Winterwind wurden von den Wohnwagen und den lodernden Feuern abgehalten. Der Wein war herb und jung, aber gut, und wärmte sie innerlich. Die Musik war besänftigend und zugleich auf unerwartete Weise anregend. Aber am meisten zogen die Zigeuner selbst sie an. Sie mochten neugierig sein,
Weitere Kostenlose Bücher