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Zigeunerstern: Roman (German Edition)

Zigeunerstern: Roman (German Edition)

Titel: Zigeunerstern: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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meine Söhne auf der Stelle noch in dieser Stunde des Todes sterben, wenn ich euch etwas anderes gesagt habe als die Wahrheit.«
    Damiano bringt es fertig und erstickt dich mit seiner zigeunerischen Würde und seiner zigeunerischen Beredsamkeit, wenn es ihm darum geht, im Recht zu sein. Polarca warf in Verzweiflung die Hände in die Luft. Doch diesmal stellte ich mich auf Damianos Seite. Ich tippte Polarca leicht auf die Schulter. Aus einiger Entfernung glubschte mich Chorian mit diesem Ausdruck völliger Ergebung an, wie ein junger Hund, mit jener extremen Ehrfurcht, die beide ich so verabscheute und zugleich so gut begriff. Ich vermute, Polarca verspürte so etwas wie eifersüchtigen Neid. Schließlich ist ja auch er nur menschlich, sofern man einen von uns überhaupt menschlich nennen kann; er wollte nicht, dass da jemand in meiner Nähe sei, der mich noch glühender anbetete, als er selber dies tat. Aber Polarca demonstrierte natürlich seine Hingabe auf recht sonderbare Weise.
    »Ich sehe kein besonderes Risiko darin, wenn wir Chorian bei uns behalten«, sagte ich leise zu ihm. »Der Junge ist einer von uns. Ich habe ihn recht gut kennengelernt, während er bei mir auf Mulano war.«
    »Aber der persönliche Privatzigeuner von Sunteil …«
    »Es gehört nicht Sunteil. Er lässt ihn nur im Glauben, dass es so sei.«
    »Ja, und vielleicht lässt er nur dich und Damiano im Glauben, dass er nicht Sunteils Mann ist.«
    »Polarca«, sagte ich und lächelte ihn freundlich an, während ich fest seinen Arm streichelte. »Ach, du mein Polarca. Das alles ist doch weiter nichts als echte paranoide Scheiße, und du weißt das ganz genau.«
    »Yakoub, lass mich dir sagen …«
    »Polarca!«, mahnte ich, etwas weniger freundlich.
    Dennoch gab er noch zwei, drei dumpfe Donnergrolltöne von sich, musste sich dann jedoch fügen, und tat es. Chorian war vor Erleichterung und Dankbarkeit völlig außer sich, denn er hatte natürlich mitbekommen, dass die Debatte darum gegangen war, ob er bleiben dürfe oder nicht, und er schwitzte geradezu am ganzen Körper vor Freude darüber, dass er wieder bei mir sein durfte. Doch trotz seines kälberhaft unreifen Betragens wirkte er gewissermaßen weniger naiv, irgendwie gereifter, als seinerzeit auf Mulano. Es sah fast so aus, als habe er sich inzwischen zu einem kleinen Angeber gemausert. Wahrscheinlich war die damalige naive Schüchternheit sowieso nur Tarnung gewesen; unbezweifelbar jedenfalls war, dass er jetzt rasch an Selbstvertrauen gewann und nicht mehr so stark das Bedürfnis verspürte, sich hinter einem linkischen jugendlichen Charme zu verstecken. Er würde uns nützlich sein können. Und Damiano hatte recht daran getan, ihn mitzubringen. Im Verlauf der Besprechungen während der folgenden Tage sah ich ab und zu, wie Polarca immer noch brütend vor sich hinstarrte, als sei er noch immer absolut davon überzeugt, dass wir uns einen Spion des Imperiums direkt in unsere Mitte geladen hätten, aber sogar er legte seine Besorgnis gegenüber Chorian nach einiger Zeit ab.
    Planmäßig tauchte dann Valerian auf. Oder Valerians Geist, müsste ich der Exaktheit zuliebe sagen. Valerian in Person wagte es nämlich nicht, den Fuß auf eine der imperialen Welten zu setzen, solange da noch der Kopfpreis von zehntausend Cerces auf ihn ausgesetzt war. Und eine solche Summe konnte sogar einen Rom schwach machen. Schließlich ist Valerian mit einer stolzen Anzahl von Feinden in unsern Reihen gesegnet, denn nicht nur die Gaje leiden unter seinen Freibeuteraktivitäten. Doch Valerian selbst – oder Valerians Geist –, das machte keinen großen Unterschied, denn seine Gespenstgestalt ist dermaßen voller Lebensfülle und Kraft, dass es gar nicht leicht ist, sie von der wahren Person zu unterscheiden. Nur dass sein Gespenst natürlich – wie die meisten Gespenster – die Tendenz hat, etwas über dem Erdboden zu schweben und hin und wieder ein geringfügiges statisches Knistern von sich zu geben.
    Valerian verfügt über einen ausgesprochen hohen Instinkt für theatralische Effekte. Ihn umgibt beständig eine Aura von dramatischen Höhepunkten, und sie wallt vor ihm her, hundert Meter weit, wo immer er sich einfindet. Er spreizt sich wie ein Gockel, seine Stimme dröhnt, er gestikuliert, lässt seine Augen funkeln und posiert entsetzlich. Sein Stil und seine Ausstrahlung sind überwältigend, nur leider entstammen sie einem Genre von ›Großer Oper‹, wie es vor fünfzehnhundert Jahren vielleicht

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