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Zigeunerstern: Roman (German Edition)

Zigeunerstern: Roman (German Edition)

Titel: Zigeunerstern: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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um mein Leben, und ich fühlte, wie der ganze Planet gegen die nackte Haut meiner Beine, meines Bauches pulsierte und vibrierte. Und dann war ich vor den Kontrollschaltungen meines Interstellarschiffs und fühlte die Energie des Kosmos durch mich hindurchzucken und packte sie, zentrierte sie, schleuderte sie zurück und ließ das große schimmernde Raumschiff durch die Lichtjahre hüpfen. Und dann stand ich inmitten der Kürungsversammlung für die Königswahl, dem hohen kris auf Galgala, in der hochragenden Gerichtshalle, in der Geschicke entschieden werden, und blickte auf die neun ernsten Krisatoren der Roma-Völker hinab, die Richter, in deren Händen die Zügel des Universums gelegt sind. Sie boten mir die Königswürde an, denn Cesaro o Nano, der bisherige König, war gestorben; und ich lehnte ab. Und dann vollzogen sie, einer nach dem andern, erneut das Zeichen des Königtums, bis ich unter der neunfachen Wucht ihrer Kraft mich beugte (denn dies war der Kollektivwille meines ganzen Volkes von Anbeginn aller Zeiten her) und nickte und niederkniete vor ihnen und König war. Ganz wie es die uralte Frau gesagt hatte, die verwitterte runzelnübersäte phuri dai, die mit Zaubersprüchen zu mir kam, als ich kaum aus den Windeln gekrochen war.
    Und dann – immer noch im Gespinst meiner Visionen gefangen – war ich auf meinem Besitz an der Küste des mildesten der Ozeane auf Xamur, das ich für den schönsten der neun königlichen Planeten halte. Doch muss sich dies früher abgespielt haben, noch bevor ich König wurde, denn mein Sohn Shandor stand vor mir, der erste meiner Söhne und der, den ich am meisten liebte, und er war noch ein kleines Kind. Shandors Augen loderten vor Auflehnung und Widersetzlichkeit. Er hatte etwas Verbotenes getan, und ich hatte ihm gut zugeredet, und nun hatten sie ihn vor mich gebracht und gesagt, er habe es wieder getan. Also schlug ich ihn, und der Abdruck meiner Hand zeichnete sich auf seiner Wange ab, aber er trotzte mir noch immer weiter, und darum schlug ich ihn noch einmal. Mir erschien er wie acht, neun, vielleicht schon zehn Jahre alt. Ich liebte ihn abgöttisch in diesem Augenblick, der Himmel allein mag wissen, warum. Und ich erhob die Hand, um ihn ein drittes Mal zu schlagen, und jemand sagte: »Halt inne!« Und ich sagte: »Nein, noch nicht.« Und sie sagten zu mir: »Aber er ist doch noch ein Kind, Yakoub.« Und ich, während ich ihn zum dritten Mal schlug, sagte: »Ich muss ihn zweierlei lehren. Das eine ist, dass er das Gesetz zu befolgen hat. Das zweite ist, dass er sich nicht fürchten darf. Darum schlug ich ihn das erste Mal, damit er lernt, nicht gesetzeswidrig zu handeln, und ich schlug ihn das zweite Mal, damit er kein Feigling wird.« Ich sah in Shandors Augen seine Liebe und seinen Zorn, und sie glichen genau dem, was ich empfand. Darum schlug ich ihn noch einmal, und diesmal tropfte ihm Blut von der Lippe.
    Und dieses Blut war von der Farbe der kochenden See, wenn sie die Küsten auf Nabomba Zom heraufleckt. Dort lag der Palast des Loiza la Vakako, der mir mehr als ein Vater war, auch wenn er kein einziges Mal die Hand gegen mich erhob, um mich zu schlagen. Wir standen nebeneinander in der roten Gischt unter dem betäubenden Donnern der gewaltigen blauen Sonne Nabomba Zoms, und Loiza la Vakako sagte zu mir: »Weißt du, Yakoub, dass einem jeden Rom zwei Leben geschenkt sind? Eines, in dem du leben darfst, wie es dir beliebt, und in dem du so viele Irrtümer begehen darfst, wie du willst; und dann das andere, das zweite, in dem es deine Aufgabe ist, für die Fehler in deinem ersten Leben zu büßen und sie wiedergutzumachen?« Und ich lachte und sprach: »Ich will versuchen, mich daran zu erinnern, Vater, wenn ich in mein zweites Leben eintrete.« Und das verschmitzte Gesicht Loiza la Vakakos war auf einmal ganz feierlich und ernst, und er sagte zu mir: »Dies ist bereits dein zweites Leben, Yakoub.« – Das geschah, kurz bevor ich gewaltsam von Nabomba Zom entführt und ein zweites Mal in die Sklaverei verkauft wurde und wie ein erbärmlicher Lurch in den grauenvollen Höhlentunnels auf Alta Hannalanna leiden musste. Auf Alta Hannalanna spürte ich zum ersten Mal den stechenden Schmerz der Sensorpeitsche in meinen Vorderhirnlappen, und das brachte mich beinahe um, noch ehe ich so richtig begonnen hatte. Ich sah, wie der Oberaufseher erneut die Peitsche hob, sah es jetzt, und gelb und grell schmetterten die Energiewirbel durch die Himmel. Und ich stürzte auf ihn

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