Zigeunerstern: Roman (German Edition)
geht eine Art kränkliches phosphoreszierendes Leuchten aus, ein schwacher Schimmer, der die Finsternis ein wenig erhellt, ohne den Augen wirklich angenehm zu sein. Und so, von einem Pol zum anderen, ist der gesamte Planet. Später erfuhr ich, dass die myzelartige Substruktur von Alta Hannalanna sozusagen das Wurzelgeflecht der oberplanetarischen Lianen, ihre Muttersubstanz, darstellt und eine riesenhafte pflanzliche Masse ist, die den gesamten Planetenglobus verschluckt hat. Die aus ihr schießenden Rebranken bilden ihre Fressorgane. Sie führen ihr Feuchtigkeit zu, und durch die Ausbreitung unter dem nebeltrüben Licht an der Planetenoberfläche machen sie drunten eine Art von Photosynthesevorgang möglich. Allem Anschein nach ist das Ganze ein einziger Riesenorganismus von planetarischem Ausmaß, sozusagen das pflanzliche Gegenstück der Lebendigen See auf Megalo Kastro. Die echte Planetenkruste liegt irgendwo tief darunter vergraben. Sonarsonden weisen auf eine darunter befindliche feste Gesteinsschicht hin, doch fand es bislang niemand sinnvoll oder nötig, Bohrungen bis dort niederzubringen.
Beim Himmel, es ist ein scheußlicher Planet! Mir steigt die Schamröte ins Gesicht bei dem Gedanken, dass er von einem von unseren Leuten entdeckt wurde, von dem großen Raumfahrer Claude Varna nämlich, der ein Rom war, vor gut fünfhundert Jahren. Zu seiner Ehrenrettung muss man sagen, dass Varna seinen Fund für eine keiner weiteren Erforschungen bedürfende Scheußlichkeit hielt; aber irgend etwas in seinem Bericht erregte die Neugier eines Biologen ein Jahrhundert nach der Entdeckung, der Angestellter bei einer der gewaltigen Handelsgruppen der Gaje war, und so wurde eine zweite Expedition losgeschickt. Leider, kann ich nur sagen!
Die Stollengänge sind ›bewohnt‹. Ja, sie werden eigentlich erst von ihren Bewohnern gegraben. Denn es handelt sich bei ihnen um nichts weiter als um gigantische Wurmgänge, Madenlöcher, die sich unförmige große, flache und nacktschneckenähnliche Viecher graben; ihre Körper sind dreimal mannsbreit und unglaublich lang. Seit Urzeiten haben sich diese Wurmschnecken langsam und geduldig durch die unterirdischen Bereiche von Alta Hannalanna ihre Röhren gegraben. Sie sind bloße Fressmaschinen, vernunftlos und erbarmungslos. Das Gefressene verdauen sie und scheiden es als glatten Schleim aus, der sich in dünnen Ausflüssen hinter ihnen ausbreitet, bis er mit der Zeit von den Stollenwänden absorbiert wird.
In den Tunnelgängen gibt es noch weitere Lebewesen von vergleichsweise unbedeutender Größe, die als Parasiten von den großen Würmern oder von der vorhandenen Pflanzenmaterie leben. Eines davon ist insektenähnlich, eine Kreatur von der Größe eines mächtigen Hundes, und besitzt einen scheußlich aussehenden brutalen Rüssel und gewaltige goldgrüne Augen. Wegen dieser Geschöpfe verbrachte ich zwei Jahre meines Lebens unter entsetzlichen Qualen in den Stollen auf Alta Hannalanna.
Diese Insekten leben in den Körpern der Würmer. Ihre schnabelartigen Rüssel benutzen sie, um sie mit Verdauungsflüssigkeit zu injizieren, und sie graben sich regelrecht in ihre Wirtskörper hinein, in denen sie sich vom Körpergewebe ernähren und in die sie dann ihre Eier ablegen. Ich vermute, die Würmer würden trotz der gewaltigen Ausmaße von diesen kleinen Ungeheuern in ihrem Leib mit der Zeit völlig aufgefressen werden, wenn ihnen kein Abwehrmittel zur Verfügung stünde. Das aber ist eine chemische Verteidigungsmaßnahme: Wenn der Schneckenwurm merkt, dass er von Parasiten befallen ist – und es kann Jahre dauern, bis diese Information sich bis in sein trübes Gehirn vorgetastet hat und dort registriert wird –, beginnt er eine Substanz abzusondern, die langsam an die Reizstelle heransickert und bewirkt, dass das eigene Körpergewebe des Wurmes an dieser Stelle zu einer steinartigen Masse konsolidiert. Dadurch bildet sich um den eingedrungenen Parasiten eine Zyste, in der er festsitzt, bis er verhungert. Die gesteinsartige Substanz, aus der diese Zysten sich aufbauen, hat eine schimmernde sattgelbe Färbung, fasst sich glatt an und lässt sich auf Hochglanz polieren. Im Interstellarhandel verkauft man es als den ›Alta-Hannalanna-Jade‹, obwohl das Material ja in Wahrheit eher bernsteinähnlich ist. Aber es erzielt ganz stolze Preise.
Der scheußliche Trick, wie man den Jade sammelte, wurde mir von einem meiner Mitsklaven beigebracht, von einem hageren weißhaarigen Mann namens
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