Zigeunerstern: Roman (German Edition)
Vabrikant. Er stammte von einer der Sempitern-Welten, wie er mir sagte, und war seit fünf Jahren auf Alta Hannalanna; und er bedachte mich mit einem Ausdruck derart entsetzlichen Mitleids, als man mich ihm zur Ausbildung überantwortete, dass ich spürte, wie mein Innerstes sich zu saurem Quark zu verwandeln begann.
Stumm reichte er mir Werkzeug: eine Art Sichelmesser, einen Stichel, eine Art Zweizack mit Federautomatik. »Also, dann komm jetzt mit mir«, sagte er.
Und so machten wir uns zusammen aus der ovalen Vorhöhle auf, an der mehrere der Tunnelgänge zusammenstießen und die der Schlafort der Sklaven war. Die Passage wurde sehr bald enger, die Decke hing tiefer herab, bis wir schließlich mit gekrümmten Knien vorwärtsgehen mussten. Trotz des kaum zum Sehen ausreichenden Lichts bewegte Vabrikant sich mit langvertrauter Sicherheit von einem Querstollen zum nächsten. Es war feucht und drückend hier, und die Luft roch ekelerregend süßlich.
Stundenlang stapften wir weiter. Ich mochte gar nicht daran denken, wie wir da jemals den Rückweg finden sollten. Vabrikant blieb immer wieder einmal stehen und hackte sich ein Stück Stollenwand ab und aß es. Beim ersten Mal bot er mir davon an, aber ich lehnte ab, und er zuckte die Achseln; doch später sagte er: »Das solltest du lieber doch essen. Mehr bekommst du nämlich heute nicht.«
Argwöhnisch knabberte ich an dem Zeug. Es war, als äße man einen Schwamm; doch danach hielt sich in meinem Mund ein schwacher Nachgeschmack, dumpf und pelzig, aber die Hungerkolik, die in meinem Bauch nagte, war wenigstens für eine Weile besänftigt.
Vabrikant sagte: »Doch besser, als vor Hunger zu krepieren, wie?«
»Nicht viel besser.«
»Da gewöhnst du dich dran. Bist'n Zigeuner, was?«
»Ein Rom, ja.«
»Ich hab mal wen von euch gekannt. Eine Zigeunerin. Die war richtig Zucker. Eine unglaublich schöne kleine Puppe, dunkle Augen, die schwärzesten Haare, die du dir vorstellen kannst. Ich wollte sie heiraten, ja, dermaßen hatte es mich erwischt. Ich bin durch sechs Welten hinter ihr hergerannt. Und sie war immer lieb und freundlich zu mir. Hat dann allerdings einen von ihren Leuten geheiratet.«
»Wir heiraten selten nach draußen«, antwortete ich.
»Ja, ich hab es gemerkt. Na, jetzt spielt das ja sowieso keine Rolle mehr. Für mich, meine ich. Ich sitze in diesem Scheißloch bis an mein Lebensende.« Er reckte sich hoch, sog prüfend die Luft ein, nickte. »Also weiter. Wir sind fast da.« Dann schüttelte er den Kopf. »Du armes Schwein. So jung und dann schon hierher abgeschoben. Da musste aber schon wirklich einen Riesenscheiß gebaut haben, dass sie dich nach Alta Hannalanna abgeschoben haben.«
»Ich …«
»Nein! Sag mir nicht, was es war. Wir sprechen hier nie darüber, warum wir hierher gekommen sind.« Er zeigte nach vorn. »Da, schau mal, Zigeunerjunge! Das ist frischer Wurmschleim. Wir haben unsern Wurm gefunden.«
Und ich sah wirklich auf dem Boden des Stollens das Rinnsal einer fahlen Flüssigkeit, das sich langsam vor uns und zu uns her ausbreitete: die Absonderung der Würmer. Und ich sollte sie nur allzu gut erkennen lernen. Schon bald wateten wir bis zu den Schenkeln, mit jedem Schritt rutschend und ausgleitend, durch die Exkremente. Vabrikant richtet seinen Helmstrahler auf weitere Distanz. Tatsächlich, in dem Gang befand sich ein Wurm.
Wir erreichten das Hinterende. Das Getier füllte den Stollen beinahe von Wand zu Wand aus. Wir mussten uns mit dem Rücken zur Tunnelwand daran vorbeischieben und kamen selbst so kaum an ihm vorbei. Wir krochen und schoben uns weiter, und mir kam es vor wie viele Kilometer, und das alles dermaßen tiefgebückt, dass ich dachte, mir würden bald die Rückgratwirbel brechen. Anfangs würgte mich das Wurmsekret im Hals, aber ich gewöhnte mich allmählich daran. Der Tierleib war weich, glatt, fast wie Butter. Ich hätte leicht die Hand durch die nachgiebige Haut bis tief ins Fleisch stoßen können. Ungefähr eine halbe Stunde lang sagte Vabrikant kein Wort. Dann hielt er inne und tippte mich auf die Schulter.
»Siehste? Da? Jadelicht.«
»Ich kann nichts …«
»Da! Das gelbe Feuer!«
Tatsächlich! Dicht vor uns schien die Haut des Wurms zu glühen. Die Stelle war größer als ich selber. Und als wir näher herangekommen waren, sah ich, welche sonderbare Veränderung das Fleisch der Riesenschnecke aufwies: innerhalb dieses Flecks lag sichtbar tief unten ein dunkles, hartes Etwas, und im ganzen Umkreis
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