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Zigeunerstern: Roman (German Edition)

Zigeunerstern: Roman (German Edition)

Titel: Zigeunerstern: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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Sklaven auf meiner Stirn, und nichts konnte es zum Verschwinden bringen, selbst wenn ich mir die Haut herausgeschnitten hätte. Ich war hilflos. Ich glaube, ich war zwanzig, fünfundzwanzig Jahre alt, so ungefähr. Aus so weiter zeitlicher Entfernung erscheint mir das alles einerlei. Auf jeden Fall aber war ich noch sehr jung. Mein Leben hatte noch kaum begonnen, und nun schien es schon zu Ende und vorbei zu sein. Als ich ein Kind in der Wiege gewesen war, war die weise alte Frau zu mir gekommen und hatte mir ihre Weissagungen von großem Königtum und Ruhm und Ehre zugeflüstert, und wo waren sie geblieben? Der kleine Zigeunerjunge auf Vietoris, der Bettelsklave auf Megalo Kastro, der Sammler von Schneckenscheiße auf Nabomba Zom: War das königlicher Glanz und Glorie? Bedeutete das, ein König zu sein? Aber hatte ich nicht tatsächlich noch vor kurzem einige Zeitlang ein höchst privilegiertes Leben gehabt? Als Erbe des königlichen Loiza la Vakako? Als zukünftiger Gemahl seiner bezaubernden Tochter? Und sollte nicht eines Tages der sanfte Planet Nabomba Zom mein Reich sein? Und dann, plötzlich, war mir all dies entrissen worden und ich war erneut ein Sklave, war in eine Relaiskapsel gestopft und ins Nirgendwo geschleudert und schoss auf eine Welt zu, die so entsetzlich ist, dass Loiza la Vakako es nicht über sich brachte, sie mir zu beschreiben.
    An die Landung auf Alta Hannalanna erinnere ich mich nicht. Sie muss aber ziemlich übel gewesen sein. Ich hatte so lange in meiner Relaiskugel gelebt, dass sie für mich zu so etwas wie einem Mutterschoss geworden war, und als ich auf die Oberfläche dieses widerwärtigen Planeten hinausgestoßen wurde, verlor ich, glaube ich, durch den Schock für einige Zeit den Verstand. Das erste, woran ich mich erinnern kann, ist, dass ich nach vorn gekrümmt da knie, den Kopf zu Boden gesenkt, dass ich schweißgebadet bin, mich röchelnd erbreche und zittere, während ein großer Mann in einer grauen Uniform mir unablässig einen Knüppel in die Nieren stößt. Ich wusste nicht, wo ich war. Ich wusste nicht einmal, wer ich war.
    »Steh auf!«, schnauzte der Mann. »Sklave!«
    Die Luft war heiß und dumpf, und der Boden unter mir schwankte wie ein Trampolin. Nein, ich bildete mir das nicht ein. Es gab da keinen festen Boden, sondern nur verwirrendes groteskes Geflecht ineinandergewobener gummiartiger gelber Ranken von der Dicke eines Männerschenkels, das sich von einem Horizont zum anderen ausdehnte. Die Textur der Ranken war grob und klebrig, und überall traten Warzen und Höcker hervor. Die Ranken schwangen wie die Saiten auf einer Geige. Ich meinte zu spüren, wie der Planet unter ihnen atmete, in schweren stöhnenden Zügen beim Ausatmen, das die Ranken in Schwingung versetzte, worauf dann lange langsame seufzende Sauggeräusche folgten. Dichter klebriger Regen fiel. Die Schwerkraft war sehr gering, aber das war kein Grund zur Fröhlichkeit, denn es ließ alles nur noch instabiler wirken. Mir war schwindlig vor Übelkeit.
    »Los, auf!« Wieder stieß mich der Posten erbarmungslos mit dem Knüppel.
    Er trieb mich zu einem sonderbar aussehenden Fahrzeug, das keine Räder hatte, dafür aber spinnenbeinhafte absurde Gliedmaßen, die in riesigen handförmigen Krampen endeten. Das Vehikel kroch und kletterte wie ein Riesenkäfer auf der Oberfläche von Alta Hannalanna dahin und schleppte sich vorwärts, indem es mit seinen Greiferbeinchen die Rankenstruktur des Planeten packte und wieder losließ. Nach einer Weile erreichte das Transportfahrzeug eine Stelle, an welcher die Reben sich zu einem breiten dunklen Loch öffneten, und es tauchte dort hinein und sank tiefer und tiefer und tiefer, bis ich schließlich irgendwo mitten im Zentrum des Planeten anlangte.
    Danach sollte ich viele Monate lang die Oberfläche von Alta Hannalanna nicht mehr wiedersehen. Nicht dass es irgendwie ein Vorteil gewesen wäre, dort oben zu sein, denn der ganze Planet ist ein undurchdringliches Gewirr aus diesen widerwärtigen klebrigen Ranken; ein dichter grauer Wolkenschleier verbirgt beständig die Sonne; der Regen lässt niemals nach, nicht einmal für Augenblicke. Aber tief unten ist es sogar noch übler. Dort ist alles eine einzige gewaltige dichte schwammartige Masse von Hunderten Kilometern Dicke. Weite niedrige Stollen ziehen sich durch sie hindurch, die ein Gewirr von unzähligen Quer-, Ober- und Untertunnels bilden. Die Wandung dieser Stollen ist feucht und rosig wie Eingeweide, und von ihnen

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