Zigeunerstern: Roman (German Edition)
darum herum breitete sich das feurige Entzündungsglühen aus, das Vabrikant als ›Jadelicht‹ bezeichnet hatte. Er machte sich ohne Zögern an die Arbeit. Er öffnete die Flanke des Wurms mit dem Stichel, setzte dann das Sichelmesser an und erweiterte den Schnitt. Den Zweizack benutzte er als Klemme. Ruhig und gleichmäßig säbelte er sich weiter nach innen voran. Der Wurm gab keinerlei Anzeichen von sich, dass er bemerkt hätte, was da in seinem Körper vorging.
»Da haste das Aas, da drin«, sagte er. »Und das ist der Jade, der drum rumwächst. Na los, greif mal rein und fass es so richtig mit der Hand an!«
»Das da – drin?«
»Los, greif schon rein, Junge!«
Zitternd kroch ich vorwärts und schob meinen Arm tief in die zuckende Wunde, bis ich auf etwas stieß, das hart und glatt wie Glas war. Die Zystenhülle um das eingeschlossene parasitäre Insekt.
»Ich spüre es«, sagte ich. »Und was machen wir jetzt?«
»Na, wir schneiden es raus. Riskant ist dabei bloß, wenn das Biest nicht tot ist. Wenn nämlich nicht, dann ist es scheußlich hungrig und nicht besonders gut gelaunt. Und wenn wir dann die Wand durchbrechen, könnte es uns anspringen. Und es hat einen verdammt scheußlichen Schnabelrüssel.«
»Und wie stellen wir fest, ob es tot ist?«
»Na, indem wir die Hülle durchbrechen«, sagte Vabrikant. »Wenn es nicht rausschießt und uns anspringt, also, dann ist das Ding tot. Wenn ja, dann stecken wir in der Scheiße. In jedem Jahr gehen uns dabei verdammt viele Jadekumpels drauf.«
Ich stiere ihn an, doch er zuckte nur die Achseln und machte sich ans Werk.
Es dauerte eine halbe Stunde, und wir arbeiteten mit Drillstück und Meißel, bis wir die Jadezyste aus ihrer Matrix im weichen Fleisch des Wurmes herausgelöst hatten. Als ich darauf hinzuweisen wagte, dass die Sache mit einem Laserschneider sehr viel rascher hätte erledigt werden können, schaute Vabrikant mich nur bekümmert an, als habe er es mit einem geistig Unterentwickelten zu tun. »Na klar, die werden uns Laser geben. Also, die Idee würde den Obermeistern besonders gut gefallen.« Ich kam mir plötzlich unendlich dumm vor. Immerhin waren wir ja nicht nur Arbeitssklaven, sondern Strafgefangene.
Diesmal allerdings war das Glück auf unserer Seite. Der Riesenwurm hatte das Problem seiner Selbstschützung gut gelöst; als wir die Jadescheibe, die Vabrikant losgeschnitten hatte, heraushoben, sahen wir in ihrem Innern die leere, vertrocknete tote Hülle des parasitären Insekts. »An manchen Tagen, also da hoffte ich ja fast, dass mal eins davon rausschießt und mich umbringt«, sagte er. »Aber wahrscheinlich wünsche ich es mir doch nicht so richtig, oder ich würde es drauf anlegen, nehme ich an. So, jetzt pack mal da mit an!« Er fasste die Innenseite der Jadezyste und zog sie heraus, dann warf er den leeren Panzer des toten Insekts in die tiefe Wunde im Fleisch des Wurmes zurück. Und noch während wir uns zurückzogen, begann sich der Einschnitt bereits wieder zu schließen; wir konnten gerade noch rechtzeitig unser Werkzeug herausholen. Und der Wurm kroch einfach weiter.
So war die Jadegewinnung auf Alta Hannalanna. Du kriechst endlose Stunden lang durch diese klammigdumpfen Stollen auf der Suche nach einem Wurm, du überprüfst den Riesenleib von hinten bis vorn nach einem Jadelicht, das das eingeschlossene Insekt verrät, dann beginnst du loszuschneiden und hoffst, dass alles gutgeht. Stunden betäubend-öder Langeweile, dann die kurzen Schreckminuten von akuter Furcht als Unterbrechung, und danach wieder die stundenlange öde Ereignislosigkeit. Und dabei hast du die ganze Zeit diesen widerlichen süßlichen Krankheitsgestank in der Nase. Dann versuchst du den Weg zum Schlaftrakt zurückzufinden. Vabrikant fand ihn stets, aber ich arbeitete nicht immer mit ihm im Team; manchmal zog ich mit jüngeren Männern los, die sich in den Stollen kaum besser auskannten als ich, und wir verliefen uns; und nach einiger Zeit war ich dann oft der älteste Kumpel eines Trupps, weil unablässig neue Sklaven herangeschafft wurden, und so oblag es dann mir, den Weg zu finden. Manchmal irrten wir tagelang umher, während wir einen Rückweg suchten, und wir hatten nichts zu essen als das Zeug, das wir uns von der Stollenwand schnitten.
Etwa jeder dritte Wurm schleppte einen zystenverkapselten Parasiten mit sich herum. Und so ungefähr einer von drei Parasiten lebte noch, wenn wir in der verkapselnden Jade zu schneiden begannen. Man musste
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