Zigeunerstern: Roman (German Edition)
vertiefter Nischen auf dich herabstarren, Plasma-Beleuchtung, die je nach dem Emotionszustand des Betrachters den Farbton abwandelte, sechs Passagierdecks mit einem Speisesaal um einen Schwerkraftschacht herum in jeder Klasse – undsoweiter undsofort. Der Kapitän war ein ziemlich glatter Gajo namens Therione, ein Fenixi, wahrscheinlich einer von den Protektionsknaben von Lord Sunteil. Selbstverständlich bat man mich, am Kapitänstisch zu speisen. Und der Navigator, ein schwammiger angegrauter alter Tschurari -Rom aus Zimbalou mit dem Namen Petsha le Stevo, saß auch mit an der Tafel, obwohl ich schnell merkte, dass Therione darüber nicht gerade glücklich war. Aber da er nun schon einmal einen Ex-König der Zigeuner an Bord seines Schiffes hatte, konnte er ja schlecht seinen Navigator vor den Kopf stoßen. Immerhin, Petsha le Stevo verfügte über Tischmanieren – und zwar von der guten alten ehrlichen Sorte. Er war ein Schnauber, Schlürfer und Rülpser. Und er genoss es unbändig. Und jedes Mal wenn er sich auf den Wanst schlug und ein wohliges Rülpsen hervorbrachte, sah ich, wie Therione vor Scham in sich zusammenkroch. Das war nämlich wahrhaftig ein hochgetrimmter geleckter Arsch, dieser Therione, in jeder Beziehung ein musterhaftes Serienprodukt. Seine rosige Haut strahlte vor Sauberkeit, seine Nägel schimmerten von guter Maniküre, das Schnurrbärtchen wurde zweifellos täglich sorgfältig getrimmt. Nach jedem Rülpser, den Petsha le Stevo von sich gab, schaute er über den Tisch zu mir herüber, kniff ein Auge zu und grinste, als wollte er sagen: Ach, mein Gevatter Yakoub, na, war das vielleicht nichts? Im Vergleich zu ihm kam ich mir beinahe widerlich überfeinert und affektiert vor, und ich fragte mich, was ein dermaßen urzeitliches Relikt wie dieser Rom an Bord eines Sternenschiffes der Supernova-Klasse zu suchen habe. Aber in Wirklichkeit war er ein Top-Pilot und einer der geschultesten Männer für diesen Fahrzeugtyp, die es derzeit gab. Das stellte ich fest, als ich meinen halbprotokollarischen Besuch in der Jump-Zentrale abstattete.
Ich begriff nichts von dem Ganzen. Alles glattes Metall und glatte Kacheln wie in einem Waschraum, einer Toilette. Ein leer wirkender Raum. Hier ein paar Düsen, dort ein paar blitzende Metallplatten, sonst kaum etwas. Nun müsst ihr wissen, dass mir die Jumpkammern von Sternenschiffen keineswegs fremd sind. Immerhin habe ich ja selbst fünfzig, sechzig Jahre lang die Griffe bedient. Doch hier konnte ich mir keinen vernünftigen Reim auf die Sache machen. Wo war der Sterntank? Wo die Blinkwand? Und wo – beim zweiköpfigen Melalo, dem Herrn der Unreinheit – waren die Steuerknüppel selbst?
Petsha le Stevo strahlte wie ein stolzgeschwellter Vater, als ich mich verwirrt umschaute.
»Das hier ist eine Jumpkammer?«, fragte ich irritiert.
»Neu. Alles völlig neu. Gefällt dir, was?«
»Ich finde es abscheulich. Ich kapiere nichts davon.«
Er grinste. »Ganz einfach. Hier könnte sogar ein Gajo einen Jump hinkriegen. Aber wir können's natürlich besser. Für die heißt das immer Schweiß und Anstrengung. Für uns ist es so leicht wie 'ne Wurst zu machen. Willste mal sehen?«
»Wie du eine Wurst scheißt?«
»Wie ich den Jump mache, König.«
»Wir sind schon gejumpt.«
»Kein Problem, König. Dann jumpen wir eben noch einmal.« Er lachte und trat wuchtig einen Schritt vorwärts. Hob die gewaltigen tiefgefurchten Hände empor wie Moses bei der Verkündung der Zehn Gebote. Plötzlich tanzte zuckendes blaues Licht von den Fingerspitzen. Er machte eine Bewegung. Ich sah mitten in der Luft Sterne hängen, wie wenn er den Sternentank vor sich hätte, aber da war kein Tank, nur blaues Licht und in diesem Punkte eines noch helleren Lichts. Er bewegte den linken Zeigefinger hin und her. »Da«, sagte er. »Spürst du es?« Ja, ich hatte es gespürt: eine Empfindung wie das Entlanggleiten an einer Leine, wie das freie Gleiten in den geheimen Passagen der Raum-Zeit, das Wink-out, der Zustand des Ausblinkens. »Jetzt haben wir nicht mehr Kurs auf Galgala«, sagte Petsha le Stevo fröhlich. »Jetzt geht's nach Iriarte. Siehst du, wie einfach das ist?« Wieder hob er die Hände empor und ließ das blaue Licht erscheinen. Eine Bewegung des rechten Daumens. »Und jetzt Sidri Akrak! Kein Problem! Ganz einfach so! Na, versuch es doch selber mal! Du trittst einfach hier auf diese Fußplatte …«
Ein Glockensignal ertönte. Auf dem Bildschirm tauchte das Gesicht Theriones
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