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Zigeunerstern: Roman (German Edition)

Zigeunerstern: Roman (German Edition)

Titel: Zigeunerstern: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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bei Strafe, dem gleichen Schicksal zu verfallen. Alles, was er von nun an berührte, würde für unrein gelten und zerstört werden müssen, ungeachtet seines Wertes. Mit anderen Worten – die absolute Vernichtung: die äußerste Strafe, die unser Gesetz in seiner uralten furchtbaren Unerbittlichkeit kennt. Ordnungsgemäß wurde das Urteil des Kris mir dann zur Revision vorgelegt, und ich vermute, alle, außer vielleicht Damiano, hofften, dass ich es für zu streng erachten würde, was ich denn ja auch tat: ich erklärte es für nichtig. Statt dessen ordnete ich an, dass Valerian eine enorme Reparationssumme zu entrichten hatte, sich einem hochzeremoniellen Buß- und Reueakt zu unterziehen habe, ich befahl ihm, künftig seine Pfoten für den Rest seines natürlichen und nichtnatürlichen Lebens von Roma-Fahrzeugen zu lassen. Dann schickte ich ihn fort, ernüchtert, wie er war, ganz hübsch geknickt, aber offiziell rehabilitiert und mir in alle Ewigkeit dankbar, damit er weiterhin seinem Freibeutergewerbe auf den Schifffahrtsrouten der Galaxis nachgehe. Damiano fuhr mich ziemlich heftig an wegen meiner Milde. »Der aalglatte Hund hätte eine scharfe Lektion verdient gehabt«, sagte er. Und dann sagte er es noch zweimal, für den Fall, dass ich ihn vielleicht beim ersten Mal nicht richtig verstanden hatte.
    »Die hat er bekommen.«
    »Nicht saftig genug. Er wird sich einfach glatt weiter einbilden, dass er ungestraft tun kann, was ihm in den Sinn kommt. Er wird beim nächsten Mal nur besser darauf achten, dass er nicht erwischt wird, sonst nichts.«
    »Aber, tun wir das nicht alle?«
    »Du erschütterst mich, Vetter.«
    »Wirklich? Wirklich, Gevatter?«
    Natürlich musste Damiano nachgeben. Ich war der König. Ich war der König, wie ich ihm zwei-, dreimal eindringlich vorhalten musste, bis er schließlich murrend abzog. Später söhnten er und Valerian sich aus, und Damiano investierte sogar bei einigen von Valerians Unternehmungen, und das passte so ungemein genau zu seinem Charakter, dass ich ihn dafür hätte umarmen mögen. Und selbstverständlich hatte Damiano recht, wenn er prophezeite, dass Valerian sich auch weiterhin einbilden würde, ihm sei alles erlaubt, wozu er Lust habe, solange er nur darauf achtete, sich nicht erwischen zu lassen. Und nach dieser Maxime verfuhr er denn ja getreulich weiter.
    Ich hielt die Asche des Zigeunersterns in meinen Händen, Yakoub.
    Konnte ich es wagen, ihm Glauben zu schenken? Konnte ich es riskieren, es nicht zu tun?
     
     
    8
     
    Dann kam Shandor hereingestürmt und lenkte mich ab. Es war sein erster Besuch seit langer, langer Zeit. Er war dermaßen geladen, dass ich schon fast dachte, es ist sein Gespenst – lauter Funken und Knistern und Statiksummen. Aber er hatte beide Füße auf dem Boden, und das Funkengestöber war mehr metaphorischer als elektrischer Natur.
    Er tobte und konnte kaum zusammenhängend reden. Er stapfte stammelnd und zuckend hin und her und auf und ab. Und trotz des kürzlich durchgeführten Remakes sah dieser mein erstgeborener Sohn wie ein Greis aus. Es bereitete mir ein geradezu boshaftes Vergnügen zu sehen, wie grau seine Haut wirkte, wie spitz seine Nase zu werden drohte, wie gedrückt und gekrümmt die Schultern. Dieses Baby, das ich auf meinen Knien hatte reiten lassen, vor nur hundert Jahren – oder einigen zehn-zwanzig hin oder her.
    Er verbrannte – er zehrte sich selbst auf. Er war wie die Kerze, die an beiden Enden brennt, die Flamme ist vom einen bis zum anderen Ende.
    Die Lowara-Rom verwenden das Sprichwort gern: Eine Kerze ist ganz Flamme, vom Anfang bis zum Ende. Anders ausgedrückt, eine Kerze soll natürlich brennen und leuchten, und es ist richtig, sie brennen zu lassen, so dass ihr Talg sich in die leuchtende Flamme verwandelt, immerhin ist dies die Aufgabe einer Kerze, ihr wahres Schicksal. Die Vorstellung dabei ist eine Warnung gegen Knauserigkeit und Geiz. Polarca lebt ganz genau auf diese Weise: er legt sich nichts für seine Zukunft zurück, aber dafür brennt und leuchtet er unablässig. Er ist großzügig und verschwenderisch bis zu sträflichem Leichtsinn, aber – er brennt hell.
    Bei den Kalderash-Zigeunern hat das gleiche Sprichwort eine etwas andere Bedeutungsnuance. Nämlich: Wenn du deine Kerze lustig von der Spitze bis zum untersten Endchen dahinbrennen lässt, gewinnst du dabei zwar viel Wärme und Licht, aber wenn sie abgebrannt ist, sitzt du ohne Licht im Finstern. Darum, Rom, brenn soviel Licht, wie du musst

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