Zigeunerstern: Roman (German Edition)
er mir in nächster Zeit mit weniger leicht zu überspielenden, mit handfesteren ›Überzeugungsmethoden‹ zuleibe rücken würde. Folter? Gehirnkaustik? So hin und wieder als Weichspülung ein kleiner Besuch auf den scheußlicheren Welten der Galaxis?
Mann, sei auf das Allerschlimmste vorbereitet!, betete ich mir selber vor. Denn passieren, passieren wird bestimmt was.
Und natürlich geschah etwas. Am Tag darauf, als mir die Servoroboter mein Essen brachten, fand ich auf meinem Teller zu meiner Überraschung einen gegrillten Fisch in einer köstlichen Sahnesoße. Nach einer Monate währenden Diät von dickeren oder wässrigeren Breilein – auf einmal ein gegrillter Fisch in einer raffinierten Soße? Das sollte Shandors Vorstellung einer Folterhaft sein? Als Beilagen kamen niedliche kleine Puffkartöffelchen, hauchdünne tiefbraune Krüstchen um wattige luftige Bällchen. Und außerdem noch eine Art langer bläulicher Bohnen in einer zugleich scharfen und feinen Marinade. Und dazu ein Becher Wein, genau richtig chambriert, und ein kleiner Laib knusprig-frischen Brots.
Irgendwo musste da der Pferdefuß stecken. Vielleicht ist diese Köstlichkeit vergiftet, und Shandor rechnet sich aus, dass ich dermaßen gierig darüber herfalle, dass mir der leise Hauch von Bittermandeln, von Zyan, gar nicht auffällt, der über dem Essen schwebt, klar? An die fünf Minuten lang (mindestens) saß ich da und glotzte auf das wunderschöne Essen und wagte nicht, es zu berühren. Dann wurde mir auf einmal bewusst, dass ich verdammt großen Hunger hatte und ebenso leicht an Unterernährung sterben konnte wie an Blausäure, die Shandor mir – vielleicht – ins Essen geschmuggelt haben konnte. Also argumentierte ich folgendermaßen: Wenn ich auf diese wundervoll duftende Mahlzeit verzichte, erspare ich mir wahrscheinlich das Cyangift, sofern da überhaupt so was im Essen sein sollte … aber dann würde ich auch diese bezaubernde Mahlzeit eben nicht genießen können, und so oder so krepiere ich dann sowieso vor Hunger. Also probierte ich einen kleinen Bissen, ganz vorsichtig. Es war eine himmlische Wonne! Und wenn Shandor mein Essen hatte vergiften lassen, dann auf jeden Fall auf eine köstliche Weise und mit einem köstlichen Gift. Nach dem ersten Bissen wartete ich eine ganze Weile, aber es geschah – nichts. Also nahm ich noch einen Happen … Und noch einen … Und dann dachte ich mir: Ach verdammt, das schmeckt einfach zu gut, das kann kein Gift sein! Und ich hieb richtig rein.
Ich hatte so lange von Shandors Kerkerfraß leben müssen, dass mein Magen fast die Aufnahme der Produkte einer solch exquisiten Kochkunst verweigert hätte. Ich hatte also große Mühe, die ersten paar Bissen im Bauch zu behalten. Aber ich gab mir anständig Mühe, und ich siegte schließlich. Das Brot und der Wein halfen dabei. Und nach einer kleinen Weile fiel mir das Schmausen wirklich sehr viel leichter. Und als ich mich in dieser Nacht auf meine Pritsche zum Schlafen niederlegte, dachte ich zwar immer noch so nebenbei daran, ob ich vielleicht vergiftet worden sein könnte, aber im Grunde beschäftigte mich trotzdem mehr die Frage, was diese uncharakteristisch-freundliche Geste Shandors zu bedeuten haben könnte. Ich konnte darin keinen Sinn erkennen. Wenn er mich schon nicht auf irgendeine absurde verquere Weise vergiften lassen wollte, glaubte der Kerl denn dann vielleicht allen Ernstes, dass er mich durch Gourmet-Speisen soweit bestechen konnte, dass ich mit ihm zusammenarbeiten würde?
Aber sicher nicht! Ich kam zu dem Schluss, es müsse sich da um das Essen eines anderen gehandelt haben, das man mir irrtümlicherweise serviert hatte. Wieder mal so ein Versagen der Servo-Roboter. Und dann schlief ich selig ein.
Und wachte auf, noch immer nicht vergiftet, nur um festzustellen, dass die Roboter mir ein Frühstück hereingebracht hatten. Zwei ofenknusprige mondsichelförmige und außerordentlich zartbissige Gebäckstücke, ein Gefäß voll Kaffee, der gewiss dem uralten Ambrosia-Instant der Götter gleichkam, ein Tellerchen mit weichem Weißkäse, ganz mild, und eine Auswahl der örtlichen Früchte, die von Goldflecken übersät funkelten. Das verwirrte mich wirklich.
Zu meiner Schande muss ich gestehen, dass ein ganzer weiterer Tag und noch ein halber vergehen mussten, ehe ich mich von der Fresserei und Genüsslichkeit lang genug losreißen konnte, um mir die Geschichte schön klar auseinanderzuklauben. Hilfe ist unterwegs, oder etwas
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